Wegen diplomatischer Boykotte sind die Winterspiele von Peking so politisiert wie nie. Dennoch dürfte der chinesische Staat die Sportveranstaltung dazu nutzen, seine Softpower auszubauen. Dafür spricht schon die zunehmende Sichtbarkeit chinesischer Sponsoren im gesamten Sportgeschäft.

Als Ende Jänner die Stars von Paris Saint-Germain ihre Tore bejubelten, waren die Spieler für viele Zuschauer in Europa kaum auseinanderzuhalten. Normalerweise sind jubelnde Fußballer sofort zu erkennen, selbst wenn sie nach einem Tor eine enge Traube bilden und sich umarmen. Über den Rückennummern sind ihre Namen auf die Trikots gedruckt. Aber im Spiel gegen den Außenseiter aus Reims, das PSG mit 4:0 gewann, konnte man Messi, Mbappé und Ramos nur in chinesischen Schriftzeichen lesen.

Es war ein Gruß an die Fans im Osten zum chinesischen Neujahr, erklärten Medien in China und Frankreich kurz darauf. Aus demselben Grund hatte der französische Verein den chinesischen Botschafter ins Stadion eingeladen, der vor dem Spiel auch gleich betonte, die ständigen Bemühungen um gute chinesisch-französische Beziehungen müssten „von beiden Richtungen kommen.“ Bei PSG scheint das zu funktionieren. Seit einigen Jahren ziert auch der chinesische Elektronikkonzern Hisense den Auftritt des Topklubs.

Ähnlich sah es zuletzt in Italiens Serie A aus. Am selben Wochenende war dort auch der Tabellenführer Inter Mailand in mit chinesischen Namen beflockten Trikots aufgelaufen. Und wie im Fall von PSG hat es sich bei der Umsichtigkeit, was chinesische Festlichkeiten angeht, kaum um pure Freundlichkeit gehandelt. Der wichtigste Investor, dessen Geld Inter Mailand in der letzten Saison zum ersten Meistertitel seit elf Jahren verholfen hat, ist der chinesische Einzelhandelsriese Suning.

Überall im Sportgeschäft sind über die letzten Monate so viele chinesische Symbole, Marken und Grüße zu sehen gewesen wie nie zuvor. Bei den Australian Open prangte die Spirituosenmarke Luzhou Laojiao auf den Banden, die Handball-WM und -EM hat sich mit Tiktok verpartnert. Bei der Fußball-Europameisterschaft im vergangenen Sommer war von zwölf offiziellen Turniersponsoren jeder dritte ein chinesischer. Für Europas Nationenwettkampf kam aus keinem Land so viel finanzielle Unterstützung wie aus China.

Es ist eine Entwicklung, die sich seit Jahren abzeichnet: Je populärer und finanziell erfolgreicher ein Sport wird, desto größer wird auch die Rolle, die chinesische Sponsoren in ihm spielen. Schon länger engagieren sich etwa chinesische Sportartikelhersteller wie Li-Ning, Anta, Peak und 361 Degrees in der US-Basketballliga NBA. Der Internetkonzern Alibaba investiert in den Rugby-Weltverband und das IOC. Zu den permanenten Olympia-Sponsoren gehört außerdem seit kurzem der chinesische Getränkekonzern Mengniu.

Die Allgegenwärtigkeit chinesischer Marken ist gut getimt. Denn im Vorfeld von Olympia in Peking haben die weltweiten Diskussionen über diverse Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, Tibet, Hongkong und anderswo in China von der erwünschten Sportpartystimmung abgelenkt. Die diplomatischen Boykotte durch mehrere westliche Staaten, die den Wintersport nicht gemeinsam mit Pekings Regierung feiern wollen, behindern ein wichtiges Ziel des Gastgeberlands: im Licht der Winterspiele zu strahlen und Chinas Image in der Welt zu polieren.

Chinas „Softpower“ stärken

Dabei geschieht dies parallel zu den Winterspielen auch dort, wo man sich gar keine Winterspiele ansieht: eben im weltweiten Sport jenseits von Eis und Schnee. Zum Ende der Fußball-EM bilanzierte das von der Kommunistischen Partei Chinas kontrollierte China Daily, dass einerseits die sponsernden Unternehmen besten Zugang zu Kunden weltweit erhalten haben, andererseits auch Chinas „Softpower“ zugenommen habe. Offenbar werden chinesische Konzerne von der Regierung nicht nur politisch kontrolliert, sondern auch als China-Botschafter angesehen.

Die Spiele von Peking bieten jedenfalls neue Chancen – ob sie nun kontrovers sind oder nicht. „Olympia maximiert die Zahl von Augen, die mit einer Marke in Kontakt kommen, innerhalb von kürzester Zeit“, sagt Michael Naraine, Professor für Sportfinanzen an der kanadischen Brock University. „Und sofern ein Unternehmen Sportsponsoring zu einem Teil seiner Strategie macht und diese über eine längere Zeit verfolgt, wird es eher mit dem Sport an sich in Verbindung gebracht werden als mit allen möglichen Problemen um den Sport herum.“



Zudem rückten politische Bedenken auch beim kritischen Publikum rasch in den Hintergrund, sobald das Event erst begonnen habe. Davon profitieren dann auch chinesische Sponsoren, von denen es in Peking neben den Exklusivpartnern des IOC mehr als 20 gibt: Sie reichen von Banken und Fluglinien über Sportartikelhersteller, Stahl- und Technologiekonzerne bis hin zu Brauereien.

Und sie haben möglicherweise einen ironischen Vorteil: Was das Bewusstsein für Menschenrechtsverletzungen angeht, bestehen gegenüber chinesischen Unternehmen kaum die gleichen Erwartungen wie gegenüber der ausländischen Konkurrenz. Schon wegen der politischen Kontrolle durch Chinas Regierung könnte sich kein chinesischer Konzern kritisch gegenüber dem Geschehen im olympischen Gastgeberland äußern.

Dafür aber erschließen sie nun noch einen Markt, auf dem Chinas Marken bisher keine große Rolle gespielt haben: den Wintersport. Lasset die Spiele beginnen.