Natürlich war der Ringer Aker Al Obaidi enttäuscht, dass im Viertelfinale in der Klasse bis 67 Kilogramm griechisch-römisch Endstation war. „Aber ich bin so glücklich und dankbar, dass ich hier dabei sein durfte.“ Der 21-jährige Iraker ist Österreichs Vertreter im IOC-Flüchtlingsteam und als solcher stand er auch Schulter an Schulter mit dem rot-weiß-roten Olympiateam inklusive Leinen-Lederhose bei der Verabschiedung durch den Bundespräsidenten in der Hofburg.
Flucht aus dem Irak
Al Obaidi ist in Mossul aufgewachsen, mit 14 Jahren ergriff er mit einer Nachbarin die Flucht vor dem IS-Terrorregime. Über die Türkei, Griechenland, Nordmazedonien, Serbien und Ungarn schaffte er es nach Traiskirchen. Später kam Al Obaidi in ein Heim für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge im steirischen Deutschfeistritz, dann übersiedelte er nach Graz. Und fand zurück zu einem Sport, der ihn schon in seiner Heimat so fasziniert hat: Ringen. Beim AC Vorwärts Graz stieg er 2015 erstmals wieder auf die Matte. „Aber es war mit ihm nicht einfach, weil er gewisse Klubregeln nicht einhalten wollte“, erzählt Vorwärts-Chef Gerald Mollich. 2017 wurde der RSC Inzing auf den jungen Ringer aufmerksam. Al Obaidi nahm an einem Probetraining und an der Weihnachtsfeier teil und übersiedelte nach Tirol. Seit Februar 2018 lebt er fix in Inzing und absolvierte bei einem kleinen Betrieb seine Lehre zum Maler und Anstreicher, die er in Graz nach seinem Hauptschulabschluss begonnen hatte.
IOC-Stipendium
Seit 2019 besitzt Al Obaidi die österreichische Sportnationalität, die jährlich beantragt werden muss und jeweils 5000 Schweizer Franken kostet. So durfte er Österreich bei internationalen Wettkämpfen vertreten und holte 2019 bei der U20-EM in Spanien Bronze im rot-weiß-roten Ringerdress. In den letzten beiden Jahren konnte er sich dank eines IOC-Stipendiums voll auf den Sport konzentrieren, Anfang Juni erfolgte dann die Nominierung in das Olympia-Flüchtlingsteam, er wurde aus 56 Kandidatinnen und Kandidaten für Tokio ausgewählt. „Ich habe die Chance bekommen, wie ein Profi zu arbeiten, in dieser Zeit ist viel weitergegangen“, sagt Aker Al Obaidi.
Das nächste Ziel des 21-Jährigen, der aktuell subsidiären Schutz in Österreich hat, ist die österreichische Staatsbürgerschaft. Dann wäre für ihn auch die Heeressportgruppe ein Thema. Sollte das klappen, könnte Al Obaidi bei einer weiteren Olympiateilnahme in Paris nicht mehr als Teil des Flüchtlingsteams, sondern unter österreichischer Flagge antreten: „Das ist mein Traum, denn es ist ein gutes Gefühl, für Österreich zu kämpfen.“