Seit zwölf Jahren wartet Österreich auf einen Olympiasieger im Herren-Riesentorlauf. Zuletzt war 2006 in Turin Benjamin Raich erfolgreich. Medaillenlos verliefen die Winterspiele 2010 und 2014, als Marcel Hirscher jeweils Vierter wurde. Der Salzburger Weltmeister ist für den Bewerb am Sonntag in Yongpyong der Topfavorit, größte Herausforderer sind Alexis Pinturault und Henrik Kristoffersen.
Die Alpin-Herren übersiedelten damit von der Strecke in Jeongseon zu jener nach Yongpyong, aus Österreich musste dies nur Kombi-Olympiasieger Hirscher machen, die weiteren Riesentorläufer und Olympia-Debütanten Manuel Feller, Stefan Brennsteiner und Christian Hirschbühl hatten im Olympischen Dorf in der Nähe des Technik-Berges Quartier bezogen. Vizeweltmeister Roland Leitinger fehlt verletzungsbedingt.
Philipp Schörghofer war ohne Weltcup-Einsatz für das ÖOC-Team nominiert worden, nach einem Schlag aufs Knie im Training in Yongpyong verspürte er wieder Schmerzen. "Wir hatten mit Christian Hirschbühl einen Ersatzfahrer mit, er hat mit guten Leistungen aufgezeigt, deshalb haben wir uns für ihn entschieden", sagte ÖSV-Rennsportleiter Andreas Puelacher.
Für Hirscher ist nach seinem ersten Olympiasieg "alles, was kommt, Draufgabe". Von den fünf klassischen RTL-Rennen des Winters gewann der 28-Jährige mit Beaver Creek, Alta Badia, Adelboden und Garmisch-Partenkirchen vier, Pinturault war in Val d'Isere erfolgreich, wo Hirscher auf Rang drei kam. Den einzigen weiteren Podestplatz für den ÖSV errang Feller als Garmisch-Zweiter vor dem wiedererstarkten US-Amerikaner Ted Ligety, der auch bei Olympia gefährlich werden könnte.
Der zweifache Ski-Olympiasieger (Kombi 2006, RTL 2014) bezeichnet sich selbst als "Titelverteidiger" auf dem Hang, gewann am 5. März 2006 den bisher letzten Weltcup-Riesentorlauf in Yongpyong. "Es ist ein Hang, der meinem Stil sehr entgegenkommt. Er ähnelt sehr den Bergen in Deer Valley, wo ich das Skifahren gelernt habe", sagte der 33-Jährige.
Die Vorbereitung der Österreicher auf die Technikrennen in Yongpyong gestaltete sich anders als zuvor auf die Speed-Rennen in Jeongseon: "Es ist dicht gedrängt auf der Piste, das letzte Mal, dass wir Jungs mit 25 Leuten trainiert haben, das ist 15 Jahre her im Schülerkader. Aber es ist für alle gleich", sagte Hirscher.
"Ein Set-up zu finden und gut abgestimmt zu sein, ist schwieriger als geglaubt bei den Bedingungen. Das bereitet uns ein bisschen Kopfzerbrechen", gestand er. Bei den Damen habe man gesehen, dass viel über das Material und das Set-up gehe. "Wir haben im Damen-Slalom gesehen, die ohne große Rattern runterkamen, haben auch gewonnen. Man hat auch gesehen, dass nicht zwingend die absolute Dominanz hier bei diesen Bewerben zu einem Erfolg führen muss."
Er wolle natürlich ähnlich performen wie im Weltcup, die Erwartungshaltung habe sich aber ein bisschen relativiert. "Es ist nicht das Typische, wo ich mich draufstelle und weiß, wie was funktioniert."
Dass sein Kombi-Antreten ("Am ersten Tag reden dich alle mit Herr Olympiasieger an, das hilft ein wenig, das alles zu checken") ihm einen Nachteil gegenüber Kristoffersen und Co. bringen könnte, glaubt Hirscher nicht. "In Europa sind die Bedingungen sicherlich nicht so, wie wir sie hier vor Ort vorfinden."
Nicht zwingend gehe nach Kombi-Gold alles leichter von der Hand. "Vielleicht ist der Druck abgefallen. Am Anfang ist man so richtig 'on fire', will alles zerreißen. Dann hat man für sich selbst das große Ziel erreicht und hat dann schon einmal einen kurzen Hänger. Aber das Gute ist, dass es gleich weitergeht."
Auch Feller findet den Schnee "ganz eigen", es sei schwierig, den Ski auf Zug zu kriegen. Der Zweite von Garmisch und Disziplinfünfte baut auf seine Konstanz in dieser Saison. "Wenn du kein einziges Mal ausfällst, gehst du einfach mit viel mehr Selbstvertrauen und einer gewissen Selbstverständlichkeit an den Start. Es ist in beiden Disziplinen was drinnen." Er glaube, dass er im Slalom stärker als im Riesentorlauf sei, allerdings habe er da viele Ausfälle, die im Hinterkopf sitzen.
Brennsteiner kommt laut eigenen Angaben mit den Bedingungen gut zurecht. "Wenn ich mein Skifahren hinbekomme, dann brauche ich mich nicht zu verstecken." Auch der 27-jährige Hirschbühl gibt sein Debüt im Zeichen der Fünf Ringe. "Ich bin froh, dass ich am Start bin. Ich werde es wie ein normales Rennen angehen und einfach drauflosfahren."