Wenn sich Lara Vadlau was in den Kopf setzt, dann kann sie durchaus meinungsstabil sein, sagt ihr Umfeld. Und nach fünf Jahren Pause, die sie sich nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro nahm, setzte sie sich in den Kopf, zurückzukehren in den Sport. Als „Frau Doktor“, denn sie hatte sich vom Sport ab- und dem Medizin-Studium hingewandt. „Ich habe gespürt, da ist noch was in mir“, sagte sie bei der Pressekonferenz nach dem Erfolg, an dem sie mit ihrem Segelpartner und dem Verband nun drei Jahre akribisch gefeilt hatte. Wie wahr. Da war noch etwas in der 30-Jährigen, die schon 2010 bei den Youth Olympic Games in Singapur Gold geholt hatte. Und da war etwas, was Lukas Mähr in die Partnerschaft einbrachte: Viel Hingabe, Begeisterung und die Fähigkeit, hart zu arbeiten. Der Lohn: Olympia-Gold in Frankreich. Die erste Goldene, die das Land bei diesen Olympischen Spielen gemacht hat, die erste in Gold 20 Jahre nach Roman Hagara/Hanspeter Steinacher.
Eines der Dinge, die sich Vadlau in den Kopf gesetzt hatte, war es, Trainer Morgan Reeser zu verpflichten. „Man nennt ihn die Medalmaker, den Medaillenschmied“, sagte sie nach der ersten Runde an Gratulationen von Familie, Teamkollegen, „und das hat er wohl wieder bewiesen.“ Reeser, pflichtete Mähr bei, sei ein „Fanatiker“, wenn es ums Segeln und Olympia geht. Und er habe ihnen vielleicht das letzte, große Puzzleteil gebracht, das das Bild perfekt machte. Mit seiner Ruhe, seiner Taktik, seinem Plan. „Er macht an sich gar nichts Außergewöhnliches“, sagte Mähr, „und doch hilft es“. So machte er auch zwei Pläne, „die hat er uns als PDF-Datei geschickt“, sagt Vadlau. Plan A, „der einfache Weg“ – und Plan B, der schwierige. „Wir sind dann unfreiwillig schnell auf den Plan B gekommen, nach dem Fehlstart im ersten Rennen. Aber im Leben ist es ja auch oft so, dass man Fehler macht – und einfach ist es selten“, ergänzte Mähr.
Irgendwie war das Medal Race am Donnerstag vor Marseille Spiegelbild der gesamten Kampagne. Weil das spanische Team, erster Gegner im Kampf um die Medaille, es auf ein Matchrace anlegte, kamen Vadlau/Mähr nur schlecht weg, zwischendurch war sogar die Medaille rechnerisch verloren. Aber: „Wir haben dann gesagt, wir bleiben ruhig und ziehen den Plan durch, so wie die ganze Woche. Das Messer ist uns ja bis zum Schluss im Hals gesteckt, diese Drucksituation hat uns geholfen. Wir sind lange als Schlusslicht gefahren, aber damit kannten wir uns ja aus in dieser Woche“, sagte Vadlau. Am Ende arbeitete sich das Boot mit der Österreich-Fahne auf Rang sieben nach vor, das reichte zu Gold vor Schweden und Japan. Nur war das lange nicht klar. „Wir haben gewusst, dass es eine Medaille sein muss, aber ich habe Luki, er ist der Zahlenmensch, gesagt: Rechne endlich! Haben wir Gold?“ Und Mähr rechnete. „Aber Olympiasieger, das spricht man nicht so gerne aus.“
Er durfte es, auch wenn es „surreal“ sei. „Richtig geglaubt habe ich es erst, als ich die Medaille um den Hals hatte“, sagte der Vorarlberger. Und Vadlau? „Ich habe ja alles richtig gemacht. In London war ich noch nicht bereit, in Rio habe ich mit Jolanta Ogar vor den Spielen alles gewonnen, dann nicht. Diesmal war es umgekehrt, weil wir das gute Material seit zwei Jahren für Olympia aufgespart haben. Weil wir wussten: Da zählt‘s!“
Anstrengungen waren nicht umsonst
Es war beiden klar, dass die Anstrengungen nicht umsonst waren. Dass das Team um sie herum, vom Trainer über Sportdirektor, von Meteorologin (Vadlau: „die Beste“) bis zu „jemandem für unser Hirn“, wie sie in der Pressekonferenz den Sportpsychologen nannte, zusammenspielte, funktionierte. Und „Furiosa“, so nennt sich das neue, von Ogar getaufte Boot mit den alten, schnellen Komponenten wie Segel und Mast, lief wie am Schnürchen. Letztlich zu Gold. Da rannte Vadlau nach dem Goldgewinn sogar dem Doping-Beauftragten kurz weg, um ihren Vater ins Segelstadion zu lotsen, der draußen gewartet hatte. Und Mähr feierte mit Frau Christina und den Söhnen Jonathan (3) und Lorin (2). „Es ist schön, wenn man was zurückgeben kann. Wenn auch sie sehen, dass die Arbeit, die wir in alle stecken, die 280 Tage, die wir im Jahr unterwegs waren, nicht umsonst sind“, sagte er. Und das war dann der Moment, schon lange nach der Zieldurchfahrt, als der Erfolg wohl doch schon vor der Medaille beim Duo Vadlau/Mähr einsickerte. Der Moment, an dem sich bei beiden Tränen ihren Weg bahnten. Aus Erleichterung. Aus Freude. Über das erfolgreiche, ja goldene Ende einer langen, entbehrungsreichen Kampagne.