In ihrem olympischen Achtelfinale hat sie nach nur 46 Sekunden aufgegeben, danach waren bei ihr die Tränen geflossen – nun erhält die Italienerin Angela Carini vom umstrittenen Weltverband International Boxing Association (IBA) das gleiche Preisgeld, das die Organisation für die Siegerin der Olympischen Spiele vorsieht. Der Grund: Gegnerin Imane Khelif. Um Khelif ist seit ihrem Sieg eine hitzige Debatte entbrannt. Bei der WM im vergangenen Jahr war sie von der IBA disqualifiziert worden, weil sie die „Teilnahmebedingungen“ nicht erfüllt habe. Zu diesem Ergebnis soll ein nicht weiter spezifizierter Geschlechtertest gekommen sein. Für die Spiele in Paris war die Algerierin vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zugelassen worden. Die IBA ist wegen vieler Skandale ausgeschlossen und nicht zuständig.

Dennoch hält der Weltverband an seiner Entscheidung fest und belohnt jetzt sogar Carini. Die Italienerin bekommt 100.000 US-Dollar Preisgeld – die Hälfte soll an die Athletin, die andere Hälfte an ihren Trainer und den Verband fließen. „Ich konnte mir ihre Tränen nicht ansehen“, wird IBA-Präsident Umar Kremlew in einer Mitteilung zitiert. „Ich bin nicht gleichgültig in solchen Situationen“, sagte Kremlew, „ich kann versichern, dass wir jede Boxerin schützen werden. Ich verstehe nicht, warum sie das Frauenboxen töten. Ausschließlich geeignete Athletinnen sollten der Sicherheit wegen im Ring gegeneinander antreten.“ Außerdem kündigte Kremlew an, auch die Usbekin Sitora Turdibekowa voll unterstützen zu wollen. Sie hatte ihren Kampf in der Klasse bis 57 kg gegen Lin Yuting (TWN) verloren. Lin war wie Khelif auch von der IBA im Vorjahr aus den gleichen Gründen disqualifiziert worden. 

Entschuldigung von Carini

Während das IOC zuvor bereits heftige Kritik am Weltverband übte, entschuldigte sich Carini bei ihrer Konkurrentin Khelif. Die unterlegene Carini äußerte indes ihr Unverständnis über die Geschlechtsdebatte. „Wenn sie nach Meinung des IOC kämpfen darf, respektiere ich diese Entscheidung“, sagte die 25-Jährige der „Gazzetta dello Sport“. Sie habe versucht, die Diskussion auszublenden. „Diese Kontroversen haben mich auf jeden Fall traurig gemacht und es tut mir leid für die Gegnerin, die auch nur hier ist, um zu kämpfen“, sagte Carini. Sie hatte die Debatte zunächst selbst durch ihr Verhalten befeuert. Nach dem Ende des Kampfes gab es den üblichen Handschlag nicht. Dies sei jedoch ein Missverständnis gewesen. „Das war keine absichtliche Geste, ich entschuldige mich bei ihr und bei allen. Ich war wütend, weil die Olympischen Spiele für mich vorbei waren. Ich habe nichts gegen Khelif, wenn ich sie noch einmal treffen würde, würde ich sie umarmen“, sagte Carini.