Am Donnerstagabend kam Jakob Schubert mit Jessica Pilz und dem Team des österreichischen Kletterverbandes nach Paris. Akklimatisierung? Verlief bestens. „Ich habe die Erfahrung von Tokio. Hier ist zwar alles ein wenig anders, weil es kein Corona mehr gibt, aber ich bin schnell eingetaucht in die Atmosphäre. Ich habe ja auch daheim viel mitbekommen.“ Schubert ist, man darf es so sagen, in gewisser Weise selbst zum Olympia-Fan mutiert, bevor er die Bühne wieder selbst betritt. „Ich schaue Olympia gern, es ist nur alle vier Jahre. Und das ist genug Abstand zwischen den Spielen, um zu vergessen, wie geil das eigentlich alles ist. Man kommt wieder drauf, wie geil das zum Zuschauen ist.“ Dabei ist sich Schubert sehr wohl bewusst, dass kommende Woche auch ihm viel zugeschaut werden wird. Mit 33 Jahren ist der Tiroler so was wie die österreichische Medaillenbank im Klettern.
Schubert ist sich dieser Situation bewusst, natürlich. „Ich habe aber das Gefühl, dass ich schon ein paar Mal in dieser Situation war, auch wenn man bei einer WM vielleicht nicht dieselbe Aufmerksamkeit bekommt. Aber ich bin sehr froh über Tokio, da bin ich auch als großer Favorit hingefahren.“ Zudem gibt es seit Tokio eine gravierende Änderung. Das Speed-Klettern wurde aus der Kombination herausgelöst und wird als eigene Medaillenentscheidung ausgetragen, damit bleibt für Schubert noch das Bouldern und seine wahre Domäne, der Lead (Vorstieg). Da wurde er sechs Mal Weltmeister.
Ganz überraschend kommt der Druck der Favoritenrolle also logischerweise nicht. „Ich würde lügen, wenn ich sage, es ist ganz locker. Man denkt mehr darüber nach und es war ja auch lange genug Zeit, darüber nachzudenken.“ Für ihn sei das aber kein Problem, denn: „Man will erinnert werden und wird erinnert. Aber genau das hat mir ermöglicht, so hart wie noch nie zu trainieren.“ Diese Phase gelte es aber nun, abzuschließen. „Ich bin froh, dass es jetzt endlich so weit ist. Ich fühle mich gut vorbereitet. Ich will, dass es endlich da ist, wir haben lange genug geredet.“
Aber man müsse sich bewusst sein, dass gerade im Klettern Vorhersagen schwierig seien: „Jeder, der sich auskennt, weiß, dass es keine Garantie gibt, Die Dichte ist brutal hoch, zwölf Leute haben sicher die Chance auf eine Medaille. Es ist schon gar nicht leicht, überhaupt ins Finale zu kommen. Los geht es am Montag mit dem Boulder-Semifinale, am Mittwoch folgt das Lead-Semifinale, am Freitag steht das Finale an. Die Damen um Jessica Pilz absolvieren ihre Bewerbe in derselben Reihenfolge jeweils einen Tag darauf.
Jakob Schubert: „Im Bouldern ist mehr Zufall im Spiel“
Das Bouldern wird auch zum ersten Härtetest, darauf lag auch der Fokus in der Vorbereitung. Was Schubert vorher weiß: „Ein Boulder ist Koordination, einer ist technisch, das ist der flache. Einer ist physisch und einer ist physisch-electric, was auch immer das heißen soll.“ Er habe all das probiert, um die gestellten Probleme bestmöglich lösen zu können. Dafür forstet er in der Besichtigung „meine Datenbank im Kopf“ durch, ob er schon ähnliche Wege, Bewegungsabläufe absolviert habe. „Es kann aber auch sein, dass du in der Wand merkst, dass alles anders kommt“, erklärt Schubert. Dann greife die Intuition. Und genau das ist eine der Seiten am Klettersport, die ihn so faszinieren. „Wir haben nie dasselbe Problem vor uns, vom Speed-Klettern abgesehen. Daher hilft dir da auch die Wissenschaft nur bedingt. Klar, du bereitest dich bestmöglich vor, ich etwa versuche, die koordinativen Boulder mehr zu trainieren. Aber entscheiden kannst du erst in der Wand.“
Schubert übrigens bevorzugt es vor seinen Einsätzen, sich nicht in den Tunnel zurückzuziehen oder sich mit Kopfhörern und Musik zu beschallen. „Ich mag es, die Umgebung zu hören. Auch wenn ich dann schon an der Reaktion des Publikums hören kann, ob jemand die Aufgabe erfüllt hat oder nicht.“
Auch Jessica Pilz fühlt sich bereit. „Ein ganzes halbes Jahr dreht sich alles nur um Olympia, jetzt ist es da. Ich würde mich nicht zu den Favoritinnen zählen. Wir haben mit Janja Garnbret eine klare Goldfavoritin, dahinter gibt es zehn, die alles schaffen können.“ Wie es halt im Klettern ist: „Man kann sich nie genau vorbereiten, man weiß nie, was kommt.“