Es war der bisher wohl größte Aufreger der diesjährigen Sommerspiele. Die Algerierin Imane Khelif und Yu Ting Lin aus Taipeh waren von der IBA vor einem Jahr von den Weltmeisterschaften ausgeschlossen worden. Sie hätten laut DNA-Test XY-Chromosomen, hieß es. Heuer sind sie bei Olympia dabei. Und schon der erste Auftritt von Khelif endete im Skandal: Ihre Gegnerin Angela Carini gab nach dem ersten Treffer auf und klagte an. Vor allem auf Social Media entbrannte dahin eine hitzige Diskussion. Nun meldete sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) zu Wort und rief in einer Aussendung zur Mäßigung auf. „Jede Person hat das Recht, Sport ohne Diskriminierung zu betreiben“, hieß es in einem Statement. Die Verantwortung für den Aufreger trage vor allem der Weltverband IBA. Das IOC beklagte nun „irreführende Informationen“ über die beiden Sportlerinnen. „Beide waren Opfer einer plötzlichen und willkürlichen Entscheidung der IBA. Gegen Ende der WM 2023 wurden sie ohne ordentlichen Prozess disqualifiziert.“

Zuvor hätten beide Boxerinnen schon viele Jahre auf höchstem Niveau in Frauenwettkämpfen gekämpft. Bei der WM sei dann auf einmal aufgrund nicht näher spezifizierter Geschlechtertests der Ausschluss gekommen. Die Entscheidung soll außerdem mitten im Bewerb von zwei Personen der IBA-Führung getroffen worden sein. „Teilnahmebedingungen sollten während eines laufenden Wettbewerbs nicht geändert werden“, teilte das IOC weiter mit: „Jede Regeländerung muss entsprechenden Verfahren folgen und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen.“

Gegnerin verteidigt Khelif

Die unterlegene Carini äußerte indes ihr Unverständnis über die Geschlechtsdebatte. „Wenn sie nach Meinung des IOC kämpfen darf, respektiere ich diese Entscheidung“, sagte die 25-Jährige der „Gazzetta dello Sport“. Sie habe versucht, die Diskussion auszublenden. „Diese Kontroversen haben mich auf jeden Fall traurig gemacht und es tut mir leid für die Gegnerin, die auch nur hier ist, um zu kämpfen“, sagte Carini.

Carini hatte die Debatte zunächst selbst durch ihr Verhalten befeuert. Nach dem Ende des Kampfes gab es den üblichen Handschlag nicht. Dies sei jedoch ein Missverständnis gewesen. „Das war keine absichtliche Geste, ich entschuldige mich bei ihr und bei allen. Ich war wütend, weil die Olympischen Spiele für mich vorbei waren. Ich habe nichts gegen Khelif, wenn ich sie noch einmal treffen würde, würde ich sie umarmen“, sagte Carini. Mit ihrer Aussage, es sei nicht fair, sei nicht Khelif gemeint gewesen. Der zweite Schlag von Khelif sei für sie wie ein Schock gewesen: „Ich habe aufgegeben, da stimmte etwas nicht. Es war nicht geplant, es war eine instinktive Entscheidung.“