Er ist nicht groß an Statur, aber mit einer gnadenlosen Brutalität und einem riesigen Talent auf dem Rad gesegnet: Thomas Pidcock holte sich auf dem Mountainbike sein zweites olympisches Gold nach den Spielen von Tokio. Das Kunststück gelang ihm trotz eines Patschens am Vorderrad in der Anfangsphase des Rennens. Er verlor gut 30 Sekunden wartend in der Servicezone, seine stoische Ruhe beim schleppenden Wechsel des Laufrades unterstrich jedoch innere Sicherheit. Im Ziel empfing ihn allerdings wenig Sympathie, sondern ein Meer aus Pfiffen und Buhrufen. Denn der Brite zog just gegen einen Franzosen im Finale eines äußerst packenden Cross-Country-Rennens die brachiale Kampflinie durch, wie er es so oft macht, und bremste Victor Koretzky damit aus.
Es war ein Manöver, das hart am Limit, doch innerhalb der Regeln geführt wurde, als Pidcock von hinten die innere Linie beschleunigend nahm und den Kontrahenten am Ende der Kurve touchierte. Koretzky rollte ins Ziel, riss zum Zeichen des Erfolgs aber eine Hand in die Höhe. Bronze holte sich der Südafrikaner Alan Hatherly. Der Wahlgrazer Max Foidl blieb mit dem 22. Rang hinter seiner persönlichen Erwartung eines Top-Ten-Resultats. Nach einem guten Start (13.) verpasste er in der zweiten Runde allerdings die Spitzengruppe und verlor an Boden.
Pidcock, ein stolzer Halter zweier Dackel aus Leeds, zeigt sein Talent allerdings nicht nur im Gelände. So gewann er, der wie Olympiasiegerin Pauline Ferrand-Prévot für das Team „Ineos Grenadiers“ fährt, auf dem Straßenrad eine Alpe-d’Huez-Etappe bei der Tour de France (2022), die Strade Bianche (2023) und auch das Amstel Gold Race (2024). Zudem wurde er 2022 Weltmeister im Cyclocross. Für eindrückliche Bilder sorgte er aber vor allem bei der Tour. Auf dem Weg zum Etappensieg brillierte er mit einem Husarenritt den Galibier hinunter. Dabei half ihm allerdings nicht das Gewicht, denn bei einer Größe von 1,70 Metern bringt er gerade einmal 58 Kilogramm auf die Waage. Auch hier wählte er die aggressive Linie.