Eine queere Gruppe mit Dragqueens, die das Letzte Abendmahl nachstellen: Diese Szene bei der Eröffnung der Olympischen Spiele erhitzt seit dem Wochenende die Gemüter. Sowohl die Darbietung als auch die Reaktionen darauf werfen einmal mehr die Frage auf, was Kunst und Satire im religiösen Kontext machen darf und soll.

„Unwürdig und unnötig“

Es sei eine „blasphemische Verspottung eines der heiligsten Momente des Christentums“ – diese drastischen Worte fand Kurienkardinal Vincenzo Paglia. „Ich schließe mich dieser Kritik an. Das ist den Olympischen Spielen unwürdig und unnötig“, so der österreichische Sportbischof Alois Schwarz. Stefan Oster, der deutsche Sportbischof, schrieb auf X: „Das queere #Abendmahl war […] ein Tiefpunkt und in der Inszenierung völlig überflüssig.“ Für Thorsten Latzel von der Evangelischen Kirche in Deutschland ist die Darstellung durch die Kunstfreiheit abgedeckt, aber auch er hätte sich mehr wertschätzende Sensibilität gegenüber gelebter Religion gewünscht.

„Multikulti und Transgender“

Schon zuvor hatten die französischen Bischöfe von einer „Verhöhnung des Christentums“ gesprochen und ihr „tiefstes Bedauern“ darüber ausgedrückt, dass Christen durch die „Provokation und Übertreibung“ verletzt worden wären. Die katholische Zeitung „Avvenire“ erinnerte die Szene an die französische Nouvelle Cuisine – „mit einer Prise zu viel an Fluidismus“ (keine deutliche Grenzziehung, auch hinsichtlich sexueller Orientierung, Anm.). Fluidität, Multikulturalismus und Transgender – dagegen wetterte ebenso die russisch-orthodoxe Kirche in ihrer Stellungnahme.

Leonardo da Vincis Meisterwerk: Das Letzte Abendmahl
Leonardo da Vincis Meisterwerk: Das Letzte Abendmahl © APA

Queer im Fokus

Eine andere Sicht zeigt Nicole Bauer vom Institut für Religionswissenschaften an der Uni Graz auf: „Entweder es gibt Satire und man darf humoristisch mit Religion umgehen oder nicht. Eine Grenze kann man schwer festmachen.“ Der spannende Aspekt bei dieser Inszenierung sei, dass sie von einer queeren Community aufgeführt wurde. Das sei auch der einzige Grund, warum diese Szene in den Fokus der Öffentlichkeit geraten sei, vermutet sie.

Dass queer und gläubig sich nicht kategorisch ausschließen, beweist der Verein „Queer Glauben Wien“. „Irgendwie muss man den Leuten die heutige Gesellschaft vor Augen führen. Es gibt nicht nur mehr Er und Sie, sondern auch Divers“, sagt Karl-Heinz Bergmann, der stellvertretende Obmann. Deshalb habe er auch wenig Verständnis für die Empörung.

„Dionysos nicht Jesus“

Und Regisseur Thomas Jolly? Die Szene habe das Festbankett der „Götter des Olymps“ mit Dionysos im Zentrum dargestellt, und nicht das Letzte Abendmahl mit Jesus Christus als Mittelpunkt, kommentierte er selbst am Montag. Die Idee sei gewesen, inklusiv zu sein, niemanden auszuschließen, so Organisationschef Tony Estanguet.

Maria als Gebärende

Es ist das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass Kunst im Umfeld von Religion hierzulande für Aufregung sorgt: Im Juni war einer Marienfigur im Linzer Dom der Kopf abgesägt worden. Die Skulptur zeigte eine gebärende Frau. Dass die Installation Diskussionen hervorrufen werde, sei klar gewesen, so Bischofsvikar Johann Hintermaier. Wenn sich dadurch jemand in seinen religiösen Gefühlen verletzt gesehen habe, tue ihm das leid. Ein Gewaltakt sei jedoch aufs Schärfste zu verurteilen und ein Angriff auf die Freiheit der Kunst.

Die Marienfigur war in der Turmkammer des Linzer Doms aufgestellt
Die Marienfigur war in der Turmkammer des Linzer Doms aufgestellt © Diözese Linz

Als „abartig“ bezeichnete „Kunstbischof“ Hermann Glettler die Zerstörung in der „Furche“. Er habe Verständnis für Vorbehalte von Gläubigen. Aber: Es müsse anscheinend vernichtet werden, „was nicht der eigenen Vorstellung entspricht, was stört oder einfach anders ist. Das ist bedenklich.“ Im Vorjahr war der Oberhirte selbst ins Fadenkreuz geraten: An Stelle eines Fastentuchs ließ er in der Innsbrucker Spitalskirche eine Fotoinstallation aufhängen, die ein gebundenes Schweineherz zeigte. Vor der Karwoche wurde sie abgenommen – „um die geistlichen Schwerpunkte nicht mit einer Kunstdebatte zu überlagern“.

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