Es gehören immer zwei dazu: Das gilt im Reitsport wie kaum in einer zweiten Sportart. Christian Schumach musste dies auf die wohl bitterste Art und Weise zur Kenntnis nehmen: Weil bei seinem Spitzenpferd „Te Quiero“ im Vet-Check Unregelmäßigkeiten im Gang festgestellt wurden, darf es nicht am heute beginnenden Dressur-Wettkampf teilnehmen. Profiteur ist Stefan Lehfellner – er rückte als Reservereiter in das Dreigespann zu Victoria Max-Theurer und Florian Bacher auf.
Der Oberösterreicher eröffnet heute um 11 Uhr im Garten des Schlosses Versailles mit „Roberto Carlos“ den olympischen Dressur-Wettkampf. Was nach einer Fußball-Ikone und prunkvoller, französischer Historie klingt, bildet in Wahrheit den vorläufigen Höhepunkt einer harmonischen Reiter-Pferd-Paarung. Das 13-jährige, oldenburgische Warmblut hat Lehfellner auf der Anlage der Familie Max-Theurer achtjährig erhalten. „Er galt als schwer reitbar, exzentrisch. Er hatte seine eigenen Ideen. Meine Aufgabe war es, ihn auszubilden“, sagt Lehfellner. Und er berichtet von einer besonderen Harmonie zu seinem Pferd. Noch nie, erzählt er, hatte er ein Pferd unter seiner Obhut, dass für Kernprüfungen der Dressur wie Piaffe oder Passage so viel Talent hatte. Vor allem aber war da eine „Verbindung, die ich so noch nie mit einem Pferd gehabt habe“. Ein „Once in a lifetime“-Pferd, nennt er das: eines, das man nur einmal im Leben erhält. „Setzen sich andere auf ihn, ist er schwierig. Bei uns funktioniert es.“
Florian Bacher folgt am Mittwoch um 10.09 Uhr mit „Fidertraum“, Victoria Max-Theurer geht mit „Abegglen“ danach um Punkt 12 Uhr in das Viereck. Auch der für das steirische Reitsportzentrum Süd reitende Bacher profitiert von der Harmonie zu „Fidi“: „Er war eigentlich als Freizeitpferd für meine Frau gedacht. Ich habe ihn ihr geklaut“, sagt er und lacht. Der Grund: „Er ist nicht das spektakulärste Pferd, macht aber alles mit seiner Einstellung wett. Er ließ mich noch nie hängen.“ Sie haben eine besondere Verbindung, sagt Bacher: „Er möchte es einem immer Recht machen. Ich habe ihm viel zu verdanken.“
Für Victoria Max-Theurer bildet Paris bereits die sechste Olympia-Nominierung, an Erfahrung mangelt es ihr nicht, die Kulisse hinterlässt dennoch Eindruck bei ihr: „So eine Kulisse hat man nur alle vier Jahre – wenn überhaupt. Daher kann man sich darauf nicht vorbereiten“, sagt sie. Für Florian Bacher ist die Routine seiner Teamkollegin von großem Wert: „Sie hat so viel Erfahrung, auch mit dem ganzen Rundherum. Sie weiß, was los ist.“
Bacher gibt Top-sechs als Ziel aus
Für österreichische Verhältnisse sind die diesjährigen Spiele eine Ausnahmesituation, sagt Lehfellner. Man habe nicht sich in der Dressur „große Qualität“ und könne im Springen ab Donnerstag „auch um Medaillen mitreiten. Diese Dichte macht das heuer speziell“. In der Dressur kämpfen die besten zehn von 15 Teams am Samstag im Grand Prix Special um die Medaillen. Für die Top-18 in der Grand-Prix-Einzelwertung geht es am Sonntag in der Kür um olympisches Edelmetall. In der Dressur schreibt Bacher die Top-sechs im Team als Ziel aus – auch wenn „ich mich schon fast nicht mehr traue, das zu sagen. Alle sagen, ich sei übermotiviert. Aber wir haben viel Erfahrung und Qualität im Team.“
Harald Ambros beendete den Vielseitigkeits-Wettkampf nach dem Springen auf Platz 34. Er verpasste das Finale, war aber zufrieden: „Von der Kulisse her, waren das meine schönsten Spiele, der olympische Geländeparcours ist schwer zu toppen. Deshalb bin ich besonders glücklich, dass Vitorio sich hier vor 45.000 Menschen so gut präsentiert hat“, sagte er. Ein Dank ging auch an Max-Theurer, mit der er vor 20 Jahren in Athen die ersten gemeinsamen Spiele bestritten hatte: Sie unterstützte ihn in der Cooling Zone nach dem Geländeritt: „Sie hat Kübel geschleppt, um Vitorio zu kühlen. Sie war am Ende genauso dreckig wie wir“, freute sich der scheidende Equipechef Thomas Tesch über den spartenübergreifenden Zusammenhalt.