Alles strotzt vor Dynamik: Ein Athlet mit Prothese macht sich für den Sprint bereit. Eine Turnerin schwingt sich am Reck, ein Turmspringer wippt auf dem Sprungbrett. Menschen jubeln. Paris wird aus der Vogelperspektive gezeigt, als könnte diese Weltstadt ohne den Namen, der kurz darauf in diesem Werbespot eingeblendet wird, nicht funktionieren: ArcelorMittal. Zu Ende des PR-Films prangt der Satz: „Stolz darauf, die Olympischen und Paralympischen Spiele von Paris 2024 zu unterstützen.“

Der internationale Stahlkonzern ArcelorMittal zählt zu den wichtigsten Sponsoren der Spiele von Paris. Aber er ist auch seit Jahren umstritten – vorgeworfen werden dem Konzern Klimaschädlichkeit und Menschenrechtsverletzungen. Zuletzt forderte eine Allianz nachhaltigkeitsorientierter NGOs im Juni diverse Banken dazu auf, kein Geld mehr an ArcelorMittal zu verleihen. In Südafrika, Liberia, Mexiko und Brasilien seien diejenigen, die sich für Umweltschutz einsetzen, Gewalt ausgesetzt. Der Konzern vernachlässige zudem die Gesundheit seiner Arbeiter und der lokalen Umgebung. Ende 2023 starben beim Brand einer Mine in Kasachstan mehr als 40 Arbeiter. Und das Geld von Banken ermöglicht auch, dass sich der Stahlriese Aufmerksamkeit kauft – als Sponsor von Olympia, dem größten Sportevent der Welt.

Die Sponsoren passen nicht zu den „grünen“ Spielen

ArcelorMittal betont auf seiner Website, Menschenrechte und Klimaschutz ernst nehmen zu wollen. Andrew Simms von der Kampagne Badvertising, die auch Sportsponsoring kritisiert, ist misstrauisch. In einem Interview im Juli sagte der Ökonom: „Mehrere Sportgroßevents, auch die Olympischen Spiele, versprechen in letzter Zeit, die grünsten jemals zu werden. Aber wenn man sich den Sport ansieht, verlässt er sich auf die Fossilindustrie, den Autosektor oder Fluglinien.“

Es gebe einen riesigen Konflikt, wenn Sport von den Verschmutzern gesponsert wird, die mit ihren Emissionen sogar die Grundlage für den Sport selbst zerstörten. „Sie verschmutzen ja sogar die Luft, die Athletinnen atmen“, so Simmons. Gerade wegen ihrer Auswirkungen aufs Klima – die nicht zuletzt auch die Gesundheit von Menschen beeinflussen – stehen neben ArcelorMittal vor allem Air France und Toyota in der Kritik. Hinzu kommen Sponsoren wie CocaCola, deren Kernprodukte sich kaum positiv auf den menschlichen Körper auswirken.

„Sportswashing“ kommt auf

In diesem Zusammenhang kommt immer wieder der Begriff Sportswashing auf, erklärt Sebastian Uhrich, Sportökonom an der Deutschen Sporthochschule Köln: „Sportswashing wird jetzt verwendet für eine Situation, wo Marken ein zweifelhaftes Image haben, irgendwie in der Kritik stehen, und man jetzt davon ausgeht, dass diese explizit negativen Assoziationen, die man mit dieser Marke hat, eben verbessert sollen oder übertüncht werden sollen.“

Insofern beschreibe es letztlich einen völlig normalen Prozess: Dass man also Imageentwicklung betreibt mit dem Sponsoring für den speziellen Fall, dass die Marke von vornherein ein eher negatives Image hat. Wobei die Gründe, Olympiasponsor zu werden, vielfältig sind, sagt Sportökonom Uhrich: „Zugang zu seinen Konsumenten kann ein Motiv sein.“

„Ein anderes Motiv kann aber durchaus sein, dass man sich mit dem assoziiert, was ein Event wie die Olympischen Spiele ausmacht an Attributen, dass man diese versucht auf die Marke zu übertragen.“ Sportlichkeit sei dabei eine Sache. Aber bei Olympischen Spielen gebe es natürlich weitere Aspekte: „Wir haben die Verbindung der Völker, wir haben Fröhlichkeit, wir haben hoffentlich friedliche Spiele. Wir haben starke Emotionen. Das sind verschiedene Attribute, die auch für Marken interessant sein können.“

Immerhin will die olympische Bewegung für diverse Werte stehen, die in der modernen Welt geschätzt werden: Es geht um Fairness, Respekt und ständige Arbeit an sich selbst. In der Präambel der Olympischen Charta heißt es, übersetzt aus der englischen Version: „Der Olympismus strebt die Schaffung einer Lebensweise an, die auf der Freude an der Anstrengung, dem pädagogischen Wert des guten Beispiels, sozialer Verantwortung und der Achtung international anerkannter Menschenrechte und universeller ethischer Grundprinzipien im Rahmen der olympischen Bewegung basiert.“

Noch wachsen die Sponsoreneinnahmen beim IOC

Zugleich sind Sponsoreneinnahmen für das Internationale Olympische Komitee ein Milliardengeschäft, das auch noch wächst. Mit den sogenannten TOP-Sponsoren, die das IOC in ihrem Geschäftsbereich exklusiv sponsern, spielte das IOC Mitte des vergangenen Jahrzehnts erstmals eine Milliarde US-Dollar ein. Für die aktuelle, mit den Spielen von Paris endende Periode sollen Einnahmen von drei Milliarden angepeilt werden.

Nur wenn man so viel Geld einnehmen will: Setzt man sich dann nicht fast automatisch der Kritik aus, nicht sonderlich wählerisch bei den Geldquellen zu sein? Sebastian Uhrich erkennt ein grundsätzliches Spannungsfeld: „Das Problem ist allerdings, wo man hier welche Grenzen zieht. So ein Staat, wo es jetzt Menschenrechtsverletzungen gibt, da haben wir vielleicht noch einen Konsens, dass das kein guter, passender Sponsor ist.“

Bei einem Fastfoodhersteller sei es schwieriger, findet der Sportökonom: „Da mag es auch Leute geben, die sagen, das passt eigentlich nicht zu Olympischen Spielen dazu. Andere argumentieren aber vielleicht, naja, ich möchte aber einen Burger essen, während ich die Olympischen Spiele schaue.“ Den Olympiasponsoren ist also viel Aufmerksamkeit garantiert, allerdings besteht auch viel Potenzial zur Empörung.

In der PR-Welt hat man dies längst verstanden. Im Branchenmagazin Sports Business Journal empfahl daher Arthur Solomon, ein Manager bei der PR- und Lobbyfirma Burson, in einem Aufsatz letzten Monat: Sponsoren sollten ihr Personal auf kritische Fragen aus den Medien vorbereiten und trainieren, auch was Vorwürfe des Sportswashing angeht: „Es ist außerdem eine gute Idee, bei Olympischen Spielen eine Person mit umfangreicher Erfahrung im Bereich Medientraining vor Ort zu haben.“

So ein PR-Experte solle im Kontakt mit Medien folgende Rolle ausspielen: „Den Sprecher vor einem Interview an die während der Trainingseinheiten gewonnenen Erkenntnisse erinnern und die Interviews währenddessen kritisch begleiten.“ Das klingt nach hohem Bewusstsein dafür, dass das Sponsoring bei Olympia auch schnell zynisch wirken kann, eben wie Sportswashing.