Es kommt nicht allzu oft vor, dass Peter Filzmaier bei Olympischen Spielen ist, speziell im Sommer. „Das letzte Mal“, sinniert er im „Maison d‘Autriche“ von Paris, in das er für eine TV-Diskussion gekommen ist, „war ich 1984 in Los Angeles bei Sommerspielen, damals war ich 17.“ Beinah verwunderlich, ist der Politologe und „Parade-Analytiker“ des ORF in politischen Fragen doch ein bekennender Sport-Junkie. Nicht nur selbst als durchaus ambitionierter Läufer, sondern auch als Sport-Fan. Großereignisse sind für ihn, soweit beruflich möglich, immer Pflichttermine vor dem Fernseher. Und Olympia hat und hatte auch auf ihn spezielle Anziehungskraft. So sehr, dass er sogar ein Buch verfasste, in dem er sich dem Thema zuwandte. Und offenlegt, warum die Spiele und das Internationale Olympische Komitee per se gar nicht unpolitisch sein können, auch wenn man sich das so sehr wünschen würde.

Die Frage, die auch er sich stellt: Darf sich denn Olympia in der aktuellen Zeit noch als Veranstaltung des Friedens verkaufen? Als Idee, die die Welt eint und zusammenbringt? „Besser als früher ist es ja allemal“, sagt er da, „denn früher hat bedeutet: Hitlers Nazi-Spiele 1936, oder der Terroranschlag in München 1972, oder die Spiele als Ersatz-Kriegsschauplatz im Ost/West-Konflikt zwischen den USA und der UdSSR. Aber: Die Olympischen Spiele sollten nur viel mehr tun für ihre positiven politischen Ziele Frieden, Völkerverständigung und Antidiskriminierung.“ Er meint damit das bis 2021 geltende Verbot für Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich politisch zu äußern (“das war Unsinn“) und kritisiert auch die nach wie vor geltenden massiven Einschränkungen im unmittelbaren Umfeld des Wettbewerbs. Filzmaier: „Wenn ich Frieden propagiere, muss ich Sportlern auch erlauben, sich für und über das politische Ziel ‚Frieden‘ zu äußern.“

Darin, dass es ja auch eine zweite Seite der Medaille gibt und sich Sportler dann eben auch in eine für westliche Maßstäbe nicht konforme Richtung äußern könnten, sieht er kein Problem: „Es gibt eine ganz klare Trennlinie und ein Kriterium: Demokratische Äußerungen und Symbole sind zugelassen undemokratische nicht. Und das ist nicht so schwer zu unterscheiden. Man muss ja kein Politikwissenschaftler sein, um zu wissen, dass eine Friedenstaube ein demokratisches Symbol ist und der Wolfsgruß, wie er bei der Fußball-EM zu sehen war, nicht.“ Die Argumentation aus der Türkei, der Gruß sei historisch wertvoll und nicht politisch aussagekräftig, gelte aber nicht: „Es kommt ja auch keiner auf die Idee zu sagen, dass das Hakenkreuz ein demokratisches Symbol ist.“ Der Polit-Professor sieht auch kein Problem mit der Regenbogenflagge, um gegen die Diskriminierung Homosexueller zu protestieren: „Das wäre es nur in einem undemokratischen Land.“ Das wiederum sei das Dilemma der olympischen Bewegung, die sich den Zielen der Freiheit und Gleichheit verschreibt: Eine Vielzahl der Mitgliedsstaaten sei undemokratisch. „Selbst bei großzügiger Auslegung gibt es von den 206 Teilnehmerländern nur maximal 70, die man als Demokratie bezeichnen kann.“

Bleibt die Frage, ob der Sport im Allgemeinen und die Olympischen Spiele im Speziellen denn überhaupt unpolitisch sein können? „Nein! Das ist eine Lebenslüge, denn es ist ja ganz objektiv Unsinn. Das IOC hat Statuten, und da steht, dass man sich für Frieden, für Völkerverständigung vulgo Internationalität und Antidiskriminierung einzusetzen hat. Es gibt keine politischeren Ziele als diese – im positiven Sinne. Gehapert hat es immer nur bei der Umsetzung. Nämlich, dass man sich mit Semidemokraten, mit Antidemokraten und im Extremfall sogar mit Diktatoren und Massenmördern arrangiert hat.“ Filzmaier hat in seinem Buch übrigens auch zehn Punkt skizziert, wie man Olympia eventuell doch genau auf den Weg bringen kann, der in den Statuten festgeschrieben steht. Wie etwa, Spiele zu dezentralisieren, auf mehrere Städte aufzuteilen, auch wenn so die Idee des gemeinsamen olympischen Dorfes nicht mehr bestünde. Oder, Spiele nur noch an Länder und Städte zu vergeben, die darüber frei und demokratisch abstimmen lassen. Denn: „So würden sich a Diktaturen selbst aus dem Rennen nehmen, denn die können das nicht. Und teilnehmen dürften sie trotzdem ...“