Katharina Tanzer sieht man das Kämpferherz nicht auf den ersten Blick an. Die Niederösterreicherin, die in Leibnitz eine Art neuen, sportlichen Lebensmittelpunkt gefunden hat, wirkt auf den ersten Blick zart, beinahe schüchtern. Im Judo ist sie eine Spätberufene, kam mit 18 nach Wien und zufällig zu dem Verein, in dem Hubert „Hupo“ Rohrauer Trainer war. Kollegen aus der Zeit meinten zunächst, dass es Tanzer nicht weit bringen wird. Rohrauer war da schon anderer Meinung. „Ich hab ihr dann gesagt: Wenn du jeden Tag g‘scheit trainierst, bringe ich dich zu Olympia.“ Und Tanzer trainierte, das kann sie. „Sie ist eine Ehrgeizlerin“, sagt ihr Trainer, der seinem Schützling aber auch die vielen grauen Haare zuschreibt, die er schon hat. „Sie hinterfragt alles. Das ist zwar anstrengend, aber an sich mag ich das ja.“
Tanzer verwob ihr sportliches Leben mit dem Trainer. Als der nach Montenegro ging, stürzte sie ab, das Kreuzband riss, einmal, zweimal. Es folgten drei Operationen, ein harter Weg zurück, Verzweiflung und der Gedanke aufzuhören waren schon ganz nah. Dann kam die „Flucht“ zurück „zum Hupo“. Beinahe sprichwörtlich: Denn der ist Trainer in Leibnitz, bei der SU. Und auch Tanzer, die sonst nicht glücklich wurde, ist nun Leibnitzerin, irgendwie. Sie bewohnt ein Zimmer im Haus des Trainers, geht mit seinem Hund spazieren, hat seinen Garten umgekrempelt. „Ich mag es, im Garten zu arbeiten – ich hab dort Tomaten, Gurken, Zucchini gepflanzt.“ Und Rohrauer? Brachte Tanzer dafür auch noch das Autofahren wieder bei. „Bis aufs Einparken, das muss ich noch üben“, sagt die Dame aus Gresten lachend.
29 Jahre alt am Tag der Eröffnung
Mit der Qualifikation für Olympia hat sich ein Lebenstraum erfüllt für Tanzer, die in der Klasse bis 48 kg, dem Superleichtgewicht, antritt. Und doch musste sie die Eröffnungsfeier auslassen, denn: Sie ist am Samstag die erste des österreichischen Teams, das auf die Matte muss, ab 10 Uhr läuft die Vorrunde. Doppelt schade gewissermaßen, denn die heutige Eröffnung fällt auch noch zusammen mit ihrem Geburtstag. Seit heute ist sie 29 Jahre jung. Was möglich ist? „Alles, viel hängt bei mir von der Auslosung ab. Aber die will ich vor dem Kampf gar nicht wirklich wissen. Läuft es gut, dann kann alles passieren, auch eine Medaille. Und die hätte ich mir auch verdient“, ist Tanzer überzeugt.
Was die Auslosung ergab? In Runde eins wartet mit Ka Lee Wong aus Hongkong die Nummer 57 der Welt, machbar. In Runde zwei würde dann mit Weltmeisterin Baasankhuu Bavuudorj aus der Mongolei, derzeit die Nummer zwei der Welt, dann aber schon ein echtes „Schwergewicht“ unter den Superleichtgewichten warten.
Sie hat dem Judo (und damit quasi auch dem Diktat von Rohrauer) alles untergeordnet, hat drei Wohnsitze (in Gresten bei den Eltern, in Wien und natürlich in Leibnitz). Sie hat ihr Lehramtsstudium ausgesetzt, steht aber kurz vor dem Abschluss. Gut möglich, dass sie nach Olympia ganz Steirerin wird, es laufen Bemühungen, sie als Trainerin zu holen. Denn Rohrauer ist an sich schon im Ruhestand. „Genau genommen seit zehn Jahren“, seufzt er. Die Pension hat er „für die Kathi“ hinausgezögert, bei Olympia selbst ist er aber nicht dabei. „Das schau‘ ich mir von daheim aus an“, sagt er. Das will er möglichst lange. Denn, wie Tanzer sagt: „Bei mir geht viel über die Ausdauer. Ich muss die ersten ein, zwei Minuten des Kampfes überleben, dann ist das was für mich.“
Was auch was für sie ist? Ein eigener Hund. Den will sich Tanzer nach der Judo-Karriere zulegen, gerne aus dem Tierheim. Um gemeinsam den Garten unsicher zu machen...