Die Eröffnungsfeiern bei Olympischen Spielen haben sich über die Jahre hinweg zu einer Art eigenen Disziplin entwickelt. London setzte 2012 neue Standards, indem man Queen Elizabeth ebenso mitwirken ließ wie James Bond oder David Beckham – und die Themse. Heute Abend wird die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele der XXXIII. Olympiade wiederum ein ganz neues Kapitel schreiben: Die Sommerspiele in Paris werden nicht in einem Stadion eröffnet, sondern entlang der Lebensader der Stadt, der Seine. Ein Fluss als Bühne sozusagen. Die 10.500 Athleten und, so hört man, weit über 3000 Darsteller werden auf 600 Booten die Seine entlang bis zum Endpunkt am Trocadéro gegenüber dem Eiffelturm fahren. Und in einer Sache ist man sich sicher: Es wird ein Spektakel. Eines, das lockt: Mehr als einhundert internationale Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker werden erwartet. Auch Bundeskanzler Karl Nehammer wird am Freitag in Paris dabei sein, auch ein Abendessen mit Emmanuel Macron und IOC-Präsident Thomas Bach steht auf dem Programm.

Inszeniert und erdacht hat dieses der Pariser Thomas Jolly (42), selbst Schauspieler, Regisseur und Gründer einer Privatbühne. Er hatte, so hört man, ein Budget von 150 Millionen Euro zur Verfügung und tüftelte vier Jahre an dieser Aufgabe – Termine mit Präsident Macron oder Bürgermeisterin Hidalgo inklusive, denn auch die wollten immer wieder über den Stand Bescheid wissen. Immerhin ist diese Zeremonie der Auftakt der Spiele, die das Land ein Stück aus dem Chaos führen sollen. Sie ist Fenster in die Welt für die Geschichte, die über Frankreich und vor allem Paris erzählt werden wird. Denn auch, wenn bei der Feier „nur“ knapp 300.000 Auserwählte an den seit Tagen abgesperrten Seine-Ufern dabei sein können: Weltweit werden mehr als 1,5 Milliarden TV-Zuschauer erwartet.

Thomas Jolly, der Art Director der Spiele in Paris, posiert vor der Seine und dem Eiffelturm
Thomas Jolly, der Art Director der Spiele in Paris, posiert vor der Seine und dem Eiffelturm © AFP / Joel Saget

Was Jolly will: „Ich will die Essenz von Frankreich abbilden“, sagte er. „Ich bin sehr glücklich, denn erstmals gibt es nur einen Art Director für die Spiele und die Paralympics. Und dazu die Seine als Bühne. Und das heißt: Wir müssen handeln, man kann nichts kopieren. Denn das ist eine Feier, wie es sie noch nie gab.“ Drei Phasen habe er durchlebt: Die erste, in der er kreativ war, erdachte. Die zweite, in der man versuchte, seinen Traum Realität werden zu lassen. Und seit vier Monaten die dritte, in der geprobt und geprobt wird. „Jetzt habe ich gemerkt, wie sich alles zusammenfügt. Und ich werde immer weniger nervös und immer glücklicher.“

Viel wurde auch spekuliert, welche Stars Teil der Feier sein werden. Fix scheint: Die kanadische Sängerin Céline Dion wird in einem zweifellos exquisiten Duett mit Lady Gaga „La Vie en Rose“ von Édith Piaf wiedergeben. Und diese beiden Stars werden mit Sicherheit nicht die einzigen sein, die dabei sind. Jolly will die Geschichte des Landes nachzeichnen, sein Bild von Paris vermitteln. „Und eines weiß ich sicher: Es ist nicht so, wie es etwa in der Netflix-Serie ‚Emily in Paris‘ dargestellt wird.“ Seine Inspiration holte er sich „von überall her. Ich verweigere eine Hierarchie in der Kultur. Ich ziehe Inspiration aus Videospielen ebenso wie aus Kinofilmen, Fotos, aus allen Arten der Musik und des Tanzes.“ Daher sei sein Ziel, dass sich „jeder repräsentiert fühlt und weil jeder auch divers ist, werden wir diese Diversität weltweit und auch in Paris feiern.“ Was er noch verrät: „Frankreich hat eine Geschichte, in der man sich immer neu erfindet, immer auflöst und wieder beginnt. Auch das wird Teil sein.“

Was für Jolly Frankreich ausmacht? „Jeder hat doch seine eigene Idee von diesem Land, damit will ich auch spielen: Mit all den Klischees, die es gibt. Was ist denn der französische Touch? Ich denke: Sei wie niemand anderer. Dann sei ein wenig frech und drittens, sei kühn, was man auch als arrogant auslegen kann. Und ehrlich: Wer denkt das nicht von uns Franzosen?“

Man darf gespannt sein, was kommt. Fix ist nur, dass zwei Jets der französischen Luftwaffe ein Herz in den Himmel zeichnen werden – das musste geprobt werden, das war zu sehen. Alles andere ist – noch – unbekannt. Fest steht nur: Rund 45.000 Polizisten werden die Feier heute schützen – und die Bilder, die zu sehen sein werden, werden mit Sicherheit begeistern.

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