Während Jorge Martin im Vorjahr beim WM-Finale der MotoGP noch in der Rolle des Jägers agierte und mit vollem Risiko im Kiesbett landete, ist der Spanier 2024 der große Gejagte. Auf seiner Pramac-Ducati geht der 26-Jährige mit 24 Punkten Vorsprung auf Titelverteidiger Francesco Bagnaia in das abgeänderte Rennwochenende. Aufgrund der Unwetterkatastrophe in Valencia und Umgebung wurde das Finale nach Barcelona verschoben.
Sportlich könnte die Entscheidung in Katalonien bereits am Samstag im Sprint fallen. Gewinnt Martin, der seinen ersten GP-Sieg in der Motorrad-Königsklasse 2021 in Spielberg feierte, das verkürzte Rennen, ist ihm sein historischer Premierentitel nicht mehr zu nehmen. Historisch deshalb, da es der erste Fahrer-Weltmeistertitel für ein Kundenteam in der MotoGP-Ära (2002) wäre. Bisher stellten ausnahmslos Werksteams die Titelträger in der Königsklasse. Doch selbst der „Martinator“ hält nicht viel von einer verfrühten Entscheidung. „Ich möchte das nicht im Sprint besiegeln. Alles hat seine Zeit“, sagte Martin.
„Pecco“ muss riskieren
Verfolger Bagnaia hat nichts zu verlieren und muss das gesamte Wochenende hinweg mit dem Messer zwischen den Zähnen fahren. Ein Sprint-Erfolg am Samstag ist fast schon Pflicht, um im Rennen am Sonntag noch realistische Chancen auf den dritten Titel in Folge zu haben. Passt alles zusammen und wird der Italiener seinem Spitznamen „Pecco Perfetto“ gerecht, ist er nahezu unschlagbar. Während Bagnaia zehn Grand-Prix-Siege in dieser Saison zu Buche stehen hat, hält Martin nur bei drei Erfolgen. Auch die Sprint-Siegbilanz ist mit 7:6 für den Spanier nahezu ausgeglichen. Der große Unterschied in diesem Jahr war bisher die Konstanz, was zehn zweite Plätze für Martin beweisen – bei einem für Bagnaia.
Im vorletzten Rennen der Saison zeigten die WM-Kontrahenten, warum sie gerade die zwei schnellsten Menschen auf zwei Rädern sind. In einem packenden Duell mit mehr als einem Dutzend Überholmanövern rasten sie über die Strecke, ehe sich Martin mit Platz zwei und wichtigen Punkten zufrieden gab. Ein ähnliches Duell ist den Fans in Barcelona zu wünschen, wäre es doch die Krönung einer hochspannenden Saison, nach der die Karten neu gemischt werden. Während es Bagnaia beim Ducati-Werksteam ab 2025 mit Legende Marc Marquez zu tun bekommt, wechselt Martin zu Aprilia.