Ducati definiert die Bedeutung des Wortes „Dominanz“ in der aktuellen MotoGP-Saison neu. Traditionsmarke aus Bologna führt in der Herstellerwertung 160 Punkte vor Verfolger Aprilia, in Silverstone fuhren alle acht Fahrer zuletzt in die Top zehn. Schlechte Vorzeichen für die Konkurrenz für den Großen Preis von Österreich in Spielberg, das seit Jahren Ducati-Hochburg ist. Abgesehen zweier viel umjubelter KTM-Erfolge von Miguel Oliveira (2020) und Brad Binder (2021) gab es in zehn GP-Rennen seit der Rückkehr der Motorrad-Königsklasse auf den Red Bull Ring acht Siege für Ducati. Läuft am Wochenende alles nach Plan, kommt wohl ein neunter hinzu. Die Frage ist nur durch wen?
Derzeit gibt ein Quartett das Tempo in der MotoGP vor, was sich auch in der Fahrer-WM widerspiegelt. Angeführt wird die Weltmeisterschaft von Shootingstar Jorge Martin, der sich vor zwei Wochen in Großbritannien die Führung zurückholte. Am Ort seines ersten MotoGP-Sieges will der Spanier nachlegen. „Derzeit geht es hauptsächlich darum, Selbstbewusstsein zu sammeln. Im vergangenen Jahr lief es hier nicht so gut für mich, deshalb will ich es besser machen“, sagte der Pramac-Fahrer. 2023 schaute nach Platz drei im Sprint nur der siebente Rang auf dem Red Bull Ring heraus. Obwohl am Ende der Vorsaison dann nur 39 Zähler auf den Titel fehlten, war es der ganz große Durchbruch des 26-Jährigen. Martin zeigte dabei nicht nur großes Talent, sondern auch Konstanz in seinen Leistungen. Nur kleinste Fehler wie der ein oder andere Sturz zu viel ließen das WM-Pendel am Ende zugunsten von Francesco Bagnaia ausschlagen.
„Pecco“ fehlen aktuell nur drei Punkte auf seinen schärfsten Verfolger. „Es sind noch zehn Rennen zu fahren und uns trennen nur drei Punkte. Im Prinzip startet die WM noch einmal neu“, erklärte der amtierende Weltmeister auf einer seiner Lieblingsstrecken. „Ich mag die Bremspunkte hier, da musst du präzise sein.“ Der 27-Jährige wird bei einigen Fans aus seiner italienischen Heimat schon als Nachfolger von Legende Valentino Rossi gesehen, dessen Akademie Bagnaia auch durchlief. Auf die Aura des „Doctors“ fehlt dem Italiener aber noch einiges, auch wenn „Pecco Perfetto“ nicht nur sportlich einen Reifeprozess durchläuft. Favorit ist er nach seiner Vorstellung im Vorjahr ohnehin, gewann Bagnaia 2023 das Doppel aus Sprint und Grand Prix – in beiden Bewerben feierte er Start-Ziel-Siege.
Neustart bei Marquez
Das Ziel sah Marc Marquez in der Vergangenheit nicht immer, war der sechsfache MotoGP-Champion nach seinen dominanten Honda-Jahren vor allem für seinen riskanten Fahrstil bekannt. Sein Bike konnte nicht mehr mit der Spitze mithalten, weshalb der 31-Jährige versuchte, die Grenzen des Möglichen zu verschieben – mit dramatischen Folgen. Nach zahlreichen Unfällen, Verletzungen und Operationen kam die Einsicht und ein Neustart bei Gresini-Ducati. Einzig die Stürze begleiten den Spanier weiterhin. „Es waren heuer einige Crashes dabei, die ich nicht verstanden habe, das ist natürlich nicht gut für das Selbstbewusstsein. Ich muss jetzt das Limit ausloten und den richtigen Weg finden“, sagte Marquez, der noch nie in Spielberg gewinnen konnte.
Dieses Schicksal teilt er mit seinem derzeit schärfsten Konkurrenten in der WM: Enea Bastianini. Nach einem schwachen Vorjahr kommt der 26-Jährige 2024 besser in Fahrt, liegt als WM-Dritter 13 Punkte vor Marquez, der ab 2025 Bastianinis Platz im Ducati-Werksteam einnehmen wird. Eine brisante Entscheidung, die noch immer nachwirkt. Für den zukünftigen KTM-Tech3-Fahrer wohl nach wie vor zusätzliche Motivation, um seinen ersten Sieg in Spielberg zu jagen und den österreichischen Fans so einen Vorgeschmack auf 2025 zu geben.