Auf dem Red Bull Ring gab es seit der Rückkehr des internationalen Motorsports 2014 schon einige spektakuläre Überholmanöver. Das größte passierte in den vergangenen zehn Jahren aber wohl auf den Tribünen rund um die Strecke in der Obersteiermark – zumindest wenn man die Zuschauerzahlen der Großevents vergleicht. Als die Motorrad-Königsklasse 2016 nach Spielberg zurückkehrte, kamen mehr als 215.000 Besucher über das gesamte Rennwochenende. Zum Vergleich: In der Formel 1 waren im selben Jahr 85.000 Fans zu Gast in der Steiermark. Eine Saison darauf kamen 145.000 Motorsport-Begeisterte, um den Sieg von Valtteri Bottas in der Formel 1 zu sehen. In der MotoGP waren es mit 201.000 Fans am Wochenende abermals mehr.

Doch während sich die Zahlen der Zweirad-Serie am Ring in den Jahren darauf bei circa 200.000 Zuschauern einpendelten, legte die Formel 1 mächtig zu. Angetrieben von Max Verstappen und einem wahren Boom kamen immer mehr Fans zu den Rennen der prominentesten Auto-Rennserie der Welt, was mit kräftiger Unterstützung aus den Niederlanden im Vorjahr für einen neuen Rekord sorgte. 304.000 Fans kamen zum Großen Preis von Österreich 2023 und sahen einen Red-Bull-Heimsieg des dreifachen Weltmeisters – 173.000  jubelten im Vorjahr in des mit Francesco Bagnaia in Spielberg, immerhin ein Anstieg gegenüber 2022.

„The Doctor“ fehlt

Mit der Formel 1 kann die MotoGP in den vergangenen Jahren auf den Tribünen aber nicht mehr Schritt halten, egal ob in Spielberg oder dem Rest der Welt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zwar punktet die Motorrad-Königsklasse Jahr für Jahr mit Spannung, was auch der diesjährige Zweikampf zwischen Jorge Martin und „Pecco“ Bagnaia beweist. Ein richtiges Zugpferd fehlt seit dem Karriereende von Valentino Rossi aber. Der Italiener kündigte 2021 in Spielberg seinen Abschied an und wird seither vermisst. „The Doctor“ zog auch in den letzten Jahren seiner einzigartigen Karriere die Massen an und ist eine wahre Ikone des Sports. Bleibt zu hoffen, dass Landsmann Bagnaia in seine Fußstapfen tritt und Superstar Marc Marquez in der kommenden Saison auf der Werks-Ducati noch einmal voll durchstartet.

Die Dominanz des italienischen Herstellers ist wohl ein weiterer Grund für stagnierende Zahlen – vor allem in Spielberg. KTM konnte bisher als Lokalmatador nicht entscheidend in den Kampf um die Weltmeisterschaft eingreifen, feierte auf dem Red Bull Ring aber zumindest schon zwei viel umjubelte Siege. Unvergessen ist der Regentanz von Brad Binder 2021, als er seine KTM auf nasser Fahrbahn zur Freude der Zehntausenden Fans irgendwie über die Ziellinie manövrierte.

Übernahme steht bevor

Gelingt dem Hersteller aus Mattighofen in Zukunft dann sogar der ganz große Wurf, dürfte sich dies auch auf den Tribünen in Spielberg bemerkbar machen. Abgesehen vom österreichischen Hersteller punktet die MotoGP trotz steigendem Aero-Anteil ohnehin noch mit echtem „Racing“, ohne große Taktik, Boxenstopps oder DRS. Genau dafür wird sie vor allem von nostalgischen Motorsport-Fans geliebt.

Die Aufgabe muss in Zukunft sein, diese Stärke auch neuen Zuschauerschichten näherzubringen. Dieses Unterfangen soll vor allem durch die Übernahme von Formel-1-Rechteinhaber Liberty Media Ende des Jahres gelingen. Mit „There can only be one“ gibt es bereits ein äußerst erfolgreiches Pendant zur Formel-1-Erfolgsserie „Drive to Survive“. Auch Sprints werden in der Motorrad-Königsklasse seit 2023 an jedem Rennwochenende gefahren, was für zusätzliche Spannung sorgt. So auch am Wochenende auf dem Red Bull Ring, der für Zuschauer ohnehin seit Jahren auch abseits der Strecke ein wahres Spektakel bietet – egal ob bei MotoGP oder Formel 1.