Der Verdacht eines Finanzbetrugs alarmierte auch den Chef der Formel 1. Inmitten von erneuten Gerüchten über Verstöße von mindestens zwei Teams gegen das Ausgabenlimit mahnte Geschäftsführer Stefano Domenicali den Weltverband zu empfindlichen Sanktionen. "Ich möchte, dass die Strafe im Falle eines Verstoßes sportlich ist, das haben wir ganz klar gefordert", sagte der Italiener.
Dass Max Verstappens Red-Bull-Team trotz einer im Vorjahr verhängten Strafe wegen eines Bruchs der Finanzregeln diese Saison dominiert, lädt die Debatte um die Budgetgrenze noch mehr auf. So trafen Medienberichte über angebliche Tricksereien beim Etatdeckel die Formel 1 vor dem Ungarn-Gastspiel dieses Wochenende an einem wunden Punkt. Das Fachportal "motorsport.com" will von drei Rennställen wissen, die im vergangenen Jahr wohl mehr ausgegeben haben als erlaubt. "Auto, Motor und Sport" berichtet von immerhin zwei Teams, die sich verdächtig gemacht haben.
Über das Budgetlimit hatten Weltverband und Formel 1 lange gestritten, 2021 trat es in einer Höhe von damals 145 Millionen Dollar für die Saison in Kraft. In diesem Jahr liegt es inklusive Inflationsausgleich und Bonus für die höhere Zahl von Rennen bei etwas mehr als 150 Millionen Dollar, umgerechnet rund 135 Millionen Euro. Ziel ist es, die Teams wirtschaftlich profitabel zu machen und die Chancengleichheit zu erhöhen.
Zweifel an Wirksamkeit
Ausgerechnet das Beispiel des Branchenführers Red Bull gibt den Zweifeln an der Wirksamkeit des Regelwerks jedoch Nahrung. Rund sieben Millionen Dollar Strafe musste das Team zahlen, weil es 1,8 Millionen Dollar zu viel ausgegeben hatte. Zudem darf Red Bull in diesem Jahr seinen Windtunnel zehn Prozent weniger für die aerodynamische Entwicklung seines Autos nutzen.
Stoppen konnte die Sanktion den Arbeitgeber von Weltmeister Verstappen nicht. Im Gegenteil. Alle zehn bisherigen Rennen hat Red Bull in diesem Jahr gewonnen, allein acht davon Verstappen. Zuletzt siegte der Niederländer sechsmal in Serie. "Aus meiner Sicht war das keine Strafe. Es war sehr niedrig", sagte Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur unlängst zu den Sanktionen gegen Red Bull. Rund eine Sekunde könne ein Team über die Saison hinweg aus der Aerodynamik-Entwicklung gewinnen. Red Bull habe daher nur ein Zehntel eingebüßt.
Und so könnte sich mancher Konkurrent denken, dass ein kalkulierter Bruch der Budgetregeln sich durchaus lohnen könnte, wenn die Sanktion doch gar nicht so sehr schmerzt. Grauzonen gibt es ohnehin noch reichlich.
Viele Schlupflöcher
Beliebt sind vor allem Tochterfirmen, die offiziell Supersportwagen oder Boote entwerfen und damit nicht unter die Formel-1-Finanzregeln fallen. Der Wissenstransfer der dort angestellten Ingenieure kam in der Vergangenheit den Rennställen zugute.
Schlupflöcher wie diese versucht der Weltverband FIA in diesem Jahr mit einer neuen Direktive zu schließen. Zudem stockten die Regelwächter das Personal bei den Buchprüfern deutlich auf. Rund 100 Fragen müssen die Teams inzwischen im Rahmen der Kostenkontrolle beantworten. Bei Mercedes überwachen laut Teamchef Toto Wolff 46 Mitarbeiter "bis auf die letzte Schraube" das Einhalten des Etatdeckels. Bis Ende Juli soll die erste Phase der Prüfung durch den Weltverband beendet sein, dann folgen Nachprüfungen bei verdächtigen Teams. Noch spricht die FIA von "unbegründeten Berichten", wenn es um angebliche Finanzsünder geht.
Mögliche Sanktionen reichen von einer Verwarnung über Punktabzüge, den Teilausschluss von Renn-Wochenenden bis zu einer niedrigeren Budgetgrenze für das überführte Team. Formel-1-Chef Domenicali drängt auf einen schnellen Abschluss des Verfahrens. "Ich sage das nur, weil es auf diese Weise nicht zu Spekulationen und Aussagen führt, die für niemanden gut sind", erklärte der frühere Ferrari-Teamchef.