Die Überraschung hielt sich dann doch in Grenzen, als AlphaTauri Daniel Ricciardo als Ersatz für Rookie Nyck de Vries präsentierte. Fairness spielt in der Formel 1 eben nicht die größte Rolle, vor allem nicht im Hause Red Bull. Nur zehn Rennen Zeit bekam der 28-jährige Niederländer, um sein Können in der Motorsport-Königsklasse zu zeigen. Zu wenig, meinen viele, vor allem im diesjährigen AT04 – dem bisher langsamsten Auto am Grid. "Es war für uns eine Notwendigkeit, da die Leistungen von de Vries stagnierten", lautet die nüchterne Analyse von Motorsportberater Helmut Marko diesbezüglich.
Vielleicht also ungerecht, aber sicher nicht überraschend, wenn man sich die Historie von Red Bull in der Formel 1 näher ansieht. Pierre Gasly oder Daniil Kvyat wurden in den vergangenen Jahren vom Einserteam zu AlphaTauri (zuvor Toro Rosso) degradiert, da die Leistungen nicht gut genug waren. Auch Alexander Albon, der mit großen Erwartungen aus dem eigenen Nachwuchs hochgezogen wurde, konnte den Erwartungen schlussendlich nicht gerecht werden. Stimmt der Erfolg also nicht, verschwenden die Verantwortlichen um Helmut Marko und Teamchef Christian Horner kaum Zeit, um für Veränderungen zu sorgen.
Doch nicht nur der Rausschmiss von de Vries sorgte mancherorts für Kritik, auch die Nachbesetzung durch Ricciardo stellt manche Beobachter vor Fragezeichen. Mit Liam Lawson wurde ein Red-Bull-Junior übergangen, der derzeit in der japanischen Super Formula mit starken Leistungen auf sich aufmerksam macht, hieß es vielerorts. "Wir waren mit Liam in Kontakt. Er wird für die restliche Saison als Ersatzfahrer für beide Teams fungieren und den Young-Driver-Test absolvieren. Das Aufbauprogramm läuft also weiter und es wäre sicher falsch gewesen, ihn aus der Meisterschaft zu reißen", erklärt Marko die Entscheidung.
Aufwärmrunden bei AlphaTauri?
Ein achtfacher Grand-Prix-Sieger mit mehr als 200 Rennen Erfahrung im Gepäck macht als Ersatzmann deutlich mehr Sinn, meint auch Marko. "Das hilft natürlich und er kann uns mit seiner Routine klar sagen, was und wie wir beim Auto ansetzen müssen." Ob sich Ricciardo, der vorerst einen Vertrag bis zum Ende der Saison hat, langfristig mit einem Sitz im "Zweierteam" von Red Bull zufriedengibt, ist mehr als fraglich. Schon jetzt tauchen immer wieder Gerüchte auf, der Australier könnte schon 2024 Sergio Perez im "Einserteam" ersetzen. "Wenn sich Ricciardo gut präsentiert, könnte er in Zukunft sicher auch bei Red Bull Racing ein Thema sein. Das geht aber sicher erst nach Ende der Saison 2024, wenn der Vertrag von Perez ausläuft."
Der Australier hat es laut Beobachtern jedenfalls noch immer in sich, was seine Rundenzeiten bei den Reifentests in Silverstone bewiesen haben sollen. Bei AlphaTauri kann er sich 2023 ohne Druck präsentieren und vielleicht nach der Sommerpause für die ein oder andere Überraschung sorgen. Das würde, trotz laufenden Vertrags bis Ende 2024, den Druck auf "Checo" erhöhen. Außerdem ist es ein offenes Geheimnis, dass Ricciardo und Max Verstappen gut miteinander auskommen. Auch Horner gab jüngst zu, dass der Australier den zweiten RB-Sitz für 2025 im Blick habe.
Yuki Tsunoda vor Vertragsverlängerung
Dieser könnte in Zukunft auch von Yuki Tsunoda eingenommen werden. Der Japaner gilt als absoluter Liebling von Marko, ließ auch immer wieder sein Talent aufblitzen. Deshalb scheint eine Vertragsverlängerung nur mehr eine Frage der Zeit zu sein, weiß auch der 80-jährige Grazer. "Natürlich hängt das von den weiteren Ergebnissen ab. Es gibt aber bereits Gespräche mit unserem Partner Honda. Man kann davon ausgehen, dass es passiert, wenn man die diesjährigen Leistungen hernimmt."
Wie der weitere Plan mit dem 23-Jährigen aussieht, ist auch aufgrund der Zusammenarbeit von Honda und Aston Martin ab 2026 noch nicht restlos geklärt. In der laufenden Weltmeisterschaft soll Tsunoda gemeinsam mit Neoteamkollege Ricciardo AlphaTauri jedenfalls wieder nach vorne bringen. Ganz vorne könnte es in Ungarn übrigens noch deutlicher werden. Red Bull Racing bringt neue Updates ans Auto, von denen "wir uns zwei Zehntel Zeitgewinn erwarten", meint Marko.