In Spielberg, da dreht sich alles um Max Verstappen. Oder vielleicht um die Ferraris, um Lewis Hamilton und Fernando Alonso. Sie stehen im Rampenlicht. Die Fahrer dahinter kämpfen oft im Schatten. Oder, wie im Fall von Zhou Guanyu, man erlangt Bekanntheit durch einen spektakulären Unfall. Einen, über den der 24-Jährige nicht mehr reden will. Der Mann aus Schanghai will sich nicht über den Crash in Silverstone vor einem Jahr definiert wissen. Er fühlt sich angekommen in der Formel 1. Im Vorjahr half er, Alfa Romeo, vormalig Sauber, auf Platz sechs in der Konstrukteurs-WM zu bringen. Heuer hat er zwei neunte Plätze zu Buche stehen.
"Das ist einfach der Bereich, in dem wir im Moment sind – zwischen Platz acht und 16. Aber auch dort ist es ein harter Kampf", erklärt er, während der den Alfa Tornale von Spielberg nach Seckau steuert. Zhou Guanyu ("Im Chinesischen sagt man immer beide Namen, den Nachnamen zuerst und es wird Tscho Banju ausgesprochen", erklärt er) ist der erste Chinese in der Königsklasse des Motorsports.
Ein Traum, der ganz anders begonnen hat. "Als ich sieben Jahre alt war, ist mein Vater mit mir mit einem Zweisitzer-Kart gefahren. Ich war sehr nervös, hatte die Augen durchgehend geschlossen – ich hatte einfach Angst", sagt er. Doch seine Mutter überzeugte ihn, sich selbst ans Steuer zu setzen. "Damit", erzählt er und fragt höflich nach dem Weg, "war es um mich geschehen. Der Weg in Richtung Formel 1 war gestartet".
Zhou Guanyu verließ für diesen Traum seine Heimat, ging mit zwölf Jahren nach England, ohne Sprachkenntnisse. "Die ersten Wörter, die ich dort lernte, waren auch Schimpfwörter. Aber zum Glück kamen viele neue dazu." Freunde? "Es war nicht leicht, aber an meiner Schule waren sie sehr freundlich. Manch Freundschaft hält bis heute, wir treffen uns noch immer."
Hier in Spielberg, auf dem Red Bull Ring, hat Zhou Guanyu einen weiteren Meilenstein geschafft. 2021 durfte er erstmals ein freies Training am Freitag in der Formel 1 fahren. "Noch dazu im Auto meines Idols Fernando Alonso", erzählt er, "aber das ist so lange her. Aber stimmt, es war ein wichtiger Schritt." Spielberg? Mag er. "In den Nachwuchsserien ist es mir gut gelegen. In der Formel 2 habe ich einmal geführt und war auf Siegkurs, dann ist das Auto liegen geblieben – ein herzzerreißender Moment, an den ich mich auch erinnere."
Derzeit kämpft Alfa Romeo darum, näher an die Spitze zu kommen. "Wir haben ein Update, schauen wir, was wir damit ausrichten können", sagt der Wahl-Engländer, der seine Heimat Schanghai aber so oft wie möglich besucht: "Es ist der Platz, an dem ich abschalten, mich erholen kann. England ist die Basis während der Saison, meine zweite Heimat."
Viel Zeit bleibe während der Saison nicht, sagt Zhou Guanyu. Übrigens: Er selbst ist, wie seine Mutter, auch Designer. "Mein Helm-Design etwa ist von mir, das lasse ich nicht von anderen machen. Aber ich designe auch sonst einen Großteil meiner Mode."
In Europa komme man knapp zu den Rennen und sei schnell wieder weg, „da kann man sich nicht viel anschauen“. Insofern genießt er die Autofahrt. „Fahren wir wirklich auf den Berg hinauf“, fragt er bei der Abzweigung ungläubig und ergänzt: „Abseits der Rennstrecke fahre ich aber nicht schnell. Was ich aber mag, sind Sportwagen mit viel Power ... das macht Spaß.“
Der Chinese erzählt davon, wie die Formel 1 in der Heimat an Popularität gewonnen hat, warum Alonso Vorbild ist, er sinniert darüber, was er von Österreich kennt: „Ich war hier einmal auf einem Rad-Trainingscamp. Es muss nahe Graz gewesen sein. Schöne Aussicht, kleinere Berge. Aber ehrlich: Ich trainiere lieber im Gym, nicht so gerne Outdoor.“
Und er lässt auch „ohhs“ und „aahs“ folgen vor dem Stift in Seckau und bei der Bäckerei Regner, deren Stammhaus seit 1660 steht. Sogar zum Kosten jenes Kuchens, mit dem Gregor Regner 2009 zum Konditorweltmeister wurde, lässt er sich hinreißen. „Aber nur die Hälfte, sonst habe ich am Wochenende hier keine Chance“, sagt er und meint: „Max Verstappen ist derzeit am Top-Level und wird die nächsten Jahre dominieren.“ Aber: „Gebt mir einen Red Bull und ich fahre aufs Podest. So wie jeder mit diesem Auto.“