Beliebt wie berüchtigt, von den einen gefürchtet, von den anderen geliebt – kaum ein anderer Fahrer spaltet die Formel 1 seit mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnten so wie Fernando Alonso. Der Spanier ist kein Kind von Traurigkeit, hält sich auch in Richtung seines eigenen Teams kein Blatt vor den Mund und entspricht nicht unbedingt dem Bild eines perfekten Schwiegersohnes wie viele seiner derzeitigen Konkurrenten. "In der Formel 1 muss es immer Gute und Böse geben, Helden und Antihelden – und ich bin eben auf der dunklen Seite", sagte der 41-Jährige mit einem Grinsen in der aktuellen Staffel der Netflix-Dokumentation "Drive to Survive" in die Kamera und beschrieb sich so wohl selbst am besten.

Seine Position als "Antiheld" der Königsklasse stellte er einmal mehr im Vorjahr unter Beweis, als er für ein echtes Erdbeben im Fahrerlager sorgte. Mit seinem mittlerweile Ex-Team Alpine schien eigentlich alles geklärt, nur die Unterschrift des Spaniers fehlte. Eine reine Formsache meinten damals viele – und täuschten sich damit genauso wie Alpine-Teamchef Otmar Szafnauer. Denn Alonso trieb sein eigenes Spiel, wechselte nach einem Anruf von Lawrence Stroll völlig überraschend zu Aston Martin und hinterließ bei Alpine neben einem Fahrerchaos rund um Oscar Piastri einmal mehr verbrannte Erde.

Alonso für Aston Martin ein Glücksgriff

Viele sahen im Wechsel einen Rückschritt, Alonso eine Chance. Bei den Briten wirkt der temperamentvolle Spanier wie ausgewechselt. Nach Jahren der Chancenlosigkeit bei McLaren und seinem mittelmäßig erfolgreichen Comeback bei Alpine ist der 41-Jährige wieder voll engagiert, begeistert wie ein Rookie in den ersten Jahren. Ein Grund dafür ist die Performance des Autos, die wohl auch Alonso selbst überrascht haben dürfte. Die neuen Möglichkeiten, bei jedem Rennen an der Spitze zu kämpfen, motivieren den Routinier, umgekehrt wächst das noch recht junge Team gemeinsam mit den Erfolgen des Spaniers.

Endlich scheint Alonso zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, was in seiner langen Karriere viel zu selten der Fall war. "Die zwei WM-Titel sind ein wenig unterrepräsentativ, er war immer Weltklasse", sagt auch Helmut Marko, der ihn selbst einmal zu Red Bull Racing lotsen wollte. In seiner Heimat sorgt die derzeitige Form jedenfalls für einen erneuten "Alonso-Boom", wird in Barcelona beim GP von Spanien eine Rekordkulisse erwartet.

Zwar bremst der Lokalmatador die Erwartungen ("Wir sind nicht schnell genug, um sie aus eigener Kraft zu schlagen") vor dem Grand Prix am Sonntag ein wenig. Sollte es derzeit jedoch jemanden gelingen, die Dominanz von Red Bull zu durchbrechen, ist Alonso in der Poleposition dafür – oder wie es Doppelweltmeister Max Verstappen sagt. "Wäre ich Teamchef, Fernando wäre immer der erste Fahrer meiner Wahl."