Was haben Fußballschiedsrichter und Motorsport-Streckenposten gemeinsam? Zugegeben, auf den ersten Blick nicht viel. Weder dürfen die Männer und Frauen an der Strecke entscheidend ins Rennen eingreifen und strittige Situationen per Pfiff entscheiden, noch tragen die Unparteiischen während eines Fußballspiels feuerfeste Overalls – so hitzig die Partie auch sein mag. Ein kleiner gemeinsamer Nenner findet sich bei genauem Hinsehen aber doch: Beide machen ihre Arbeit größtenteils gut, wenn sie nicht auffallen. Gesprochen wird über ihr Eingreifen meistens nur, wenn dann doch Fehler passieren.
Damit das nicht passiert, wird am Red Bull Ring eifrig trainiert, lange bevor die Formel 1 oder MotoGP in Spielberg Station macht. Denn das Leben eines Streckenpostens beschränkt sich nicht nur auf zwei Wochenenden im Jahr, wie RS-S-Geschäftsführer Kevin Kaltenegger weiß. "Zwar sind wir bei den großen Rennen wie DTM, Formel 1 oder MotoGP mit viel mehr Leuten am Ring, da sind es schon mehr als 200, aber auch sonst müssen wir bereit sein. Sobald ein Auto auf der Strecke fährt, sind Streckenposten vorgeben."
Liebe zum Motorsport vereint
Einsätze gibt es für das Team der RS-S GmbH, die seit 2016 die operativen Geschäfte der Österreichring-Sicherheitsstaffel ausführt, also nicht zu wenige. Bei jedem Track-Day, bei jedem Firmenevent oder kleinster Rennserie sind die Posten im Einsatz. "Deshalb haben wir mittlerweile auch um die 25 Personen fix angestellt. Während der Rest nach wie vor aus Freiwilligen besteht, die pro Einsatz bezahlt werden", sagt Kaltenegger, während er mit einem der voll ausgestatteten Sicherheitsautos über den Ring rast.
Es ist Ausbildungstag in Spielberg, was für circa 60 Helfer des Bergungsteams harte Arbeit bedeutet. In fünf Stationen durchlebt die Gruppe nahezu ein komplettes Rennjahr eines Streckenpostens. Vom Bergen eines GT-Autos über die Besonderheiten beim Abtransport von MotoE-Bikes bis hin zum richtigen Eingreifen nach einem Unfall in den Formel-Serien. Was dabei alle eint: die Liebe zum Motorsport. "Ansonsten machst du das hier nicht", lacht Wolfgang Pichler, seit 1991 packt der Knittelfelder mit an. "Ich bin über einen Bekannten dazugekommen und irgendwie hängen geblieben." Nahezu seine gesamte Freizeit opfert Pichler für sein "Hobby", wie er es nennt. Von österreichischen Rallyeläufen über Rennen in Spielberg bis Auslandseinsätze ist auch alles dabei. "Als wir damals vier Tage bei einem GT-Rennen in Baku im Einsatz waren, um direkt vor Ort zu unterstützen, war das schon ein Highlight."
Jahrelange Erfahrung zahlt sich aus
Wieso die österreichischen Posten auch im Ausland so gefragt sind, erklärt sich an der jahrelangen Erfahrung der Truppe. Mindestvorgaben der Serien, wie zum Beispiel bei der Ausstattung eines Sicherheitsautos, wurden über Jahre mit zusätzlichem Equipment weiterentwickelt. Die Anzahl der Feuerlöscher, die Borsten der Besten, das Bindemittel für Öl – alles beruht auf jahrelanger Erfahrung und Innovationsgeist. Wie auch die jüngste "Erfindung" Pichlers: eine neu konstruierte Stange mit Gurt, um MotoGP-Bikes schneller von der Strecke zu bekommen. "Das ist nur einmal ein Prototyp, aber im Prinzip kriegst du die Maschine so zu zweit weg. Im Kiesbett schiebst du ansonsten mit einer ganzen Mannschaft und kriegst es nicht von der Stelle, weil es etwas durch den Schotter blockiert."
Tipps und Tricks, die sich die Gruppe über Jahre selbst angeeignet hat. Mag ein Kabelbinder an einem Bergegurt zunächst ganz banal erscheinen, hilft er beim Abtransport doch entscheidend mit. "Das Durchziehen bei einem Formel-Auto geht damit viel leichter, das erspart dir wichtige Sekunden", sagt Siegfried Kaltenegger. Wenn das jemand weiß, dann der Obersteirer, agiert er mittlerweile seit 40 Jahren an der Strecke, 30 davon beruflich. Der Routinier hat in seiner Zeit am Ring schon nahezu jede brenzlige Situation einmal erlebt und viele Funktionen innegehabt. "Zwischen 1997 und 1999 war ich Fahrer des Medical Cars und mit Renndoktor Sit Watkins über die Strecke gefahren, ein absolutes Highlight."