Die Formel 1 steuert im Streit um die Erweiterung des Starterfelds auf einen Machtkampf zu. Das US-Projekt von Michael Andretti und GM-Tochter Cadillac drängt mit Unterstützung von FIA-Chef Mohammed Ben Sulayem auf Zulassung zum exklusiven F1-Klub. Doch die Mehrheit der zehn aktuellen Rennställe will die wachsenden Milliarden-Einnahmen nicht mit Neuzugängen teilen. Auch die Bosse der Rennserie treten auf die Bremse und wehren sich gegen eine Einmischung durch die FIA.
Seine Verstimmung über die Gegenwehr aus der Motorsport-Königsklasse machte Ben Sulayem in einem ungewöhnlichen Schritt über sein privates Twitterkonto öffentlich. Er sei "überrascht von den ablehnenden Reaktionen" auf die Pläne des früheren Formel-1-Piloten Andretti, ließ der Weltverbandschef wissen. Das Interesse großer Autobauer wie Cadillac-Mutter General Motors an der Formel 1 müsse "ermutigt" werden, forderte der oberste FIA-Funktionär.
Das dürfte die F1-Teamchefs unbeeindruckt lassen. Es geht schlicht um zu viel Geld. 200 Millionen Dollar (rund 186 Mio. Euro) müsste ein Neueinsteiger derzeit als Ausgleichszahlung für die etablierten Teams mitbringen. Damit sollen die Verluste der Rennställe gemildert werden, wenn die Vermarktungseinnahmen durch elf statt wie bisher durch zehn Teams geteilt werden. 20 Millionen Dollar pro Team – das ist den meisten offenbar zu wenig.
Der Wert der Marke Formel 1 und die Höhe der Einnahmen aus Rechteverkäufen und Werbeverträgen sind zuletzt auch dank des Booms auf dem US-Markt massiv gestiegen. So mancher Branchenexperte hält daher eine Ausgleichszahlung von mindestens 600 Millionen Dollar für angemessen. "Geld wird am Ende ein wichtiger Faktor sein. Es wäre unfair, andere Teams indirekt für die Neuzugänge zahlen zu lassen", hatte Red-Bull-Teamchef Christian Horner schon im Vorjahr gemeint.
Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff verwies auf die massiven Investitionen des deutschen Autobauers und betonte: "Der Wert der Formel 1 besteht darin, dass es eine begrenzte Zahl von Lizenznehmern gibt. Und wir wollen diesen Wert nicht verwässern, indem wir einfach nur Teams hinzufügen." Es stelle sich bei Neuzugängen immer die Frage: "Was bringt ihr für die Show?"
Andretti aber will sich nicht abwimmeln lassen. Sein Versuch, sich beim Sauber-Rennstall einzukaufen, war 2021 noch gescheitert. Mit General Motors, dem einst größten Autobauer der Welt, als Partner sieht der frühere McLaren-Pilot und Sohn von Ex-Weltmeister Mario Andretti nun den Weg in die Formel 1 bereitet. Spätestens mit dem neuen Technik-Regelwerk ab 2026 könnte es so weit sein, Andretti peilt sogar einen früheren Einstieg an. "Das glaube ich zu 1000 Prozent", sagte der 60-Jährige.
Andretti sieht alle Voraussetzungen erfüllt und sein Projekt "klar vor der Konkurrenz". Im US-Staat Indiana baut sein Motorsport-Unternehmen eine große neue Rennfabrik. Zudem habe er bereits begonnen, Personal mit Formel-1-Erfahrung zu rekrutieren, sagte Andretti.
Das Echo der Formel-1-Geschäftsführung auf die markigen Sprüche des Ex-Rennfahrers blieb unterkühlt. "Wir alle wollen sicherstellen, dass die Weltmeisterschaft glaubwürdig und stabil bleibt. Jeder neue potenzielle Bewerber wird unter die Lupe genommen, um solchen Anforderungen zu entsprechen", teilte die Spitze der Rennserie mit. Jeder neue Wettbewerber benötige nicht allein die Zustimmung des Weltverbands, sondern auch der Formel 1, hieß es weiter.
Alpine und McLaren sichern Unterstützung zu
Nur die Teams Alpine und McLaren sicherten Andretti zuletzt ihre Unterstützung für einen Einstieg zu. Dass Andretti beim Rennen in Miami bei allen Teamchefs vorstellig wurde und sie zu einer schriftlichen Zustimmung für seine Pläne überreden wollte, soll Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali missfallen haben. So mache man in der Rennserie keine Geschäfte, habe Domenicali dem Amerikaner signalisiert, berichtete die BBC.
Dass sich nun der FIA-Präsident auf Andrettis Seite schlägt, könnte den Riss zwischen Weltverband und Rennserie weiter vertiefen. Die Formel 1 wehrt sich gegen die Einmischung der FIA ins Tagesgeschäft und will schon länger den Einfluss des Dachverbands auf wichtige Entscheidungen zurückdrängen. Der Konflikt um das Teilnehmerfeld könnte zum Katalysator für ein heftiges Zerwürfnis werden.