Am 27. Juli 1997 fuhr Gerhard Berger in Hockenheim bei seinem 203. Einsatz in der Motorsport-Königsklasse seinen zehnten und letzten Grand-Prix-Sieg heraus und lieferte dabei eines der besten Rennen seiner Karriere ab.
Womöglich das beste überhaupt. Denn der bereits 37-jährige Berger stand damals unter riesigem emotionalen Druck. Einerseits war Alexander Wurz drauf und dran, den Platz des an einer vom Siebbein ausgelösten Kieferhöhleneiterung erkrankten Tirolers bei Benetton-Renault zu übernehmen. Zudem war vor dem Rennen der Vater Bergers bei einem Absturz im Privatflugzeug ums Leben gekommen.
Der Österreicher sicherte sich trotz seines fortgeschrittenen Alters, und obwohl er zuvor 60 Tage nicht im Rennauto gesessen war, die Pole, fuhr im Rennen die schnellste Runde und gewann am Ende überlegen vor Michael Schumacher. Bergers Leistung wurde von allen Seiten mit Respekt bedacht. Vielfach war man der Meinung, Berger sei an diesem Tag unschlagbar gewesen. Der Tiroler selbst bedankte sich damals vielsagend für die Unterstützung "von oben" und sprach von seinem "schönsten Sieg".
"Siege sind immer besonders. Der erste und der letzte aber ganz speziell", sagt Berger, neben den beiden Weltmeistern Niki Lauda (25 Siege) und Jochen Rindt (6) einer von drei österreichischen GP-Siegern. In Hockenheim haben übrigens alle drei gewonnen, Berger (1994 und 1997) sogar zwei Mal.
"Es war ein gutes, aber nicht mein bestes Rennen in der Formel 1. Das war eher Adelaide 1987", sieht Berger den Hockenheim-Sieg aber nicht ganz oben auf der Liste. "Bewusst geworden ist mir damals aber, welch wichtige Rolle der Kopf spielt. Es ging um den Willen, dieses Rennen zu gewinnen und der Welt zu beweisen, was man erreichen kann, wenn man trotz aller Umstände alles sauber im Kopf ordnet."
Mitte Oktober gab Berger seinen Rücktritt per Jahresende bekannt und bestritt am 26. Oktober mit bereits 38 Jahren in Jerez de la Frontera sein 210. und letztes Formel-1-Rennen. Es war der denkwürdige Europa-Grand-Prix, bei dem gleich drei Fahrer im Qualifying gleich schnell waren und nach dem Schumacher alle Saisonpunkte aberkannt wurden, weil er Jacques Villeneuve unfair bekämpft hatte. Berger selbst beendete am österreichischen Nationalfeiertag seine Karriere nach einem beeindruckenden Rennen als Vierter, wobei er das Podium nur um 117 Tausendstel und den Sieg um lediglich 1,8 Sekunden verpasste.
Das alles ist demnächst ein Viertel-Jahrhundert her. Auch schon wieder 15 Jahre liegt es zurück, dass Wurz 2007 als Dritter in Kanada (Montreal) für den bisher letzten österreichischen Podestplatz in der Motorsport- Königsklasse gesorgt hat. Letzter Österreicher in der Formel 1 überhaupt - sieht man von diversen Testeinsätzen wie etwa Bergers Neffen Lucas Auer 2017 in Ungarn ab - war bekanntlich Christian Klien im November 2010 in Abu Dhabi als Fahrer im Nachzügler-Team HRT.
Seitdem herrscht fahrerische Ebbe für Piloten aus dem Formel-1-Traditionsland Österreich. "Es gibt so Perioden. Sehr viel hängt an der Aufbauarbeit", bemängelt Berger, dass die Nachwuchs-Initiativen im österreichischen Motorsport überschaubar sind. "Früher gab es nationale Formelrennen und diverse österreichische Meisterschaften. Diesbezüglich ist viel abgebröckelt, ist nicht mehr wahnsinnig viel los. Deshalb kriegt auch keiner den Fuß richtig hinein in die Formel 1", vermutet der 62-jährige Unternehmer und Chef der internationalen Tourenwagen-Meisterschaft DTM.
Gleichzeitig ist Österreichs einziger noch lebender Grand-Prix-Sieger überzeugt, dass wieder bessere Zeiten kommen. "Wir haben mit Red Bull und BWT zwei Firmen, die ganz stark im Motorsport engagiert sind. Vor allem Red Bull ist ein wahnsinnig starken Förderer des Motorsports in Österreich und hat mit Helmut Marko einen absoluten Nachwuchs-Spezialisten." Deshalb ist Berger überzeugt: "Irgendwann kommt ganz sicher wieder einer."
Die aktuelle Förder-Dynamik müsse man nutzen und Fahrer bringen. "Denn am Ende des Tages sind die Fans einer Nation nur optimal zu begeistern, wenn du einen nationalen Helden hast", so Berger im APA-Gespräch. Ihm wäre jedenfalls lieber, nicht mehr Österreichs letzter Grand-Prix-Sieger zu sein. "Mit wär's recht, wenn ein österreichischer Nachwuchsmann in der Formel 1 auf sich aufmerksam macht und nach vorne marschiert. Ich weiß ja, wie es ist, wenn man zum Nationalhelden wird. Am Ende profitiert der ganze Motorsport."