Die zuerst nur vereinzelt auftretenden Beschwerden weiblicher Fans rund um den Grand Prix in Spielberg mit Berichten über sexuelle Belästigung, rassistischen und homophoben Beleidigungen wurden über das Wochenende zu einer großen Welle, vor allem via Twitter. Eine Welle, die zeigt: Es handelt sich wohl nicht um Einzelfälle, sondern eher um Normalität. Und der Ruf der betroffenen Frauen nach Hilfe vonseiten der Formel 1 und dem Veranstalter muss erhört werden. Die Empörung im Fahrerlager war jedenfalls geschlossen – und groß.
Sebastian Vettel, immerhin vierfacher Weltmeister und in vielen Bereichen abseits des Motorsports (etwa in puncto Umweltschutz) ein Vorreiter, formulierte es besonders deutlich: "Wer auch immer diese Leute sind: Sie sollten sich schämen und sie sollten auf Lebenszeit von allen Rennveranstaltungen ausgeschlossen werden!" Für den 35-jährigen Piloten von Aston Martin ist klar, dass es "null Toleranz" geben sollte.
Dabei sei es in Ordnung, sich zu amüsieren, dabei auch zu trinken, sagte Vettel. Aber: "Das rechtfertigt oder entschuldigt kein falsches Verhalten." Diese Einschätzung teilt das gesamte Fahrerlager. Auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner fordert "sichere Orte für Fans, damit sie unseren Sport genießen können".
Ins selbe Horn stieß auch Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff: "Wer auch immer meinen Satz liest: Bleib weg, wir wollen dich nicht, wenn du zu der Gruppe gehörst." Und er machte auch klar: "Wer auch immer belästigt oder missbraucht, egal ob sexuell, homophob oder rassistisch: Das ist einfach hirnlos, Alkohol kann da keine Ausrede sein. Dann kannst du kein Formel-1-Fan sein, wir wollten dich nicht." Sein Mercedes-Team reagierte auch prompt, lud etwa eine Frau, deren Rock von betrunkenen Besuchern gehoben wurde, in die Box ein. Noch dazu mit dem Hinweis, dass man sie nicht respektieren müsse. Nachsatz von Wolff: "F*ck off!"
Verstappen ist für eine Alkoholbegrenzung
Die Zahl der Vorfälle wächst – was man da auf Twitter lesen kann, ist teils schockierend. Das weiß auch Max Verstappen. "Ich habe ein paar wirklich schockierende Dinge gelesen. Das ist einfach nicht o.k. Und ich bin enttäuscht, ich sollte das nicht mehr sagen müssen, es muss doch generell so sein, dass man so etwas nicht tut und dass so etwas nicht mehr passieren sollte. Jedes menschliche Wesen sollte das so sehen und sich auch demnach benehmen", sagte der Holländer. Pikant: Es seien laut Berichten vor allem die niederländischen Fans gewesen, die sich daneben benommen hätten.
Verstappen, dessen niederländische Fans den Großteil der Anhänger ausmachten unter den insgesamt über 300.000 Zuschauerinnen und Zuschauern an den drei Tagen und vor allem die Campingplätze um den Kurs in Beschlag genommen hatten, schlug in der Diskussion um das Fanverhalten sogar eine Alkoholgrenze als möglichen Lösungsansatz vor. "Du machst manchmal dumme Sachen, wenn du Alkohol trinkst. Ich will damit nichts entschuldigen. Aber man könnte das regulieren", sagte der Weltmeister und WM-Führende und erklärt: "Damit man nach einer gewissen Menge sagen muss: Es wäre Zeit für mich, ins Bett zu gehen, damit ich morgen wieder nüchtern bin. Wenn ein Punkt überschritten ist, dann wird man verrückt und beginnt, viele dumme Sachen zu machen."
Hamilton: "Es geht um Erziehung und Ignoranz"
Auch für Lewis Hamilton waren die Meldungen "ein Schock". Der Brite betonte, dass es auch für die Formel 1 von Notwendigkeit sei, "weiterzumachen, mehr zu tun", um solch ein Benehmen zu bekämpfen. "Das, was wir sehen, bestätigt ja nur, dass all das – sexuelle Belästigung, Rassismus, Homophobie – wieder und wieder ein Thema ist. Letztlich geht es um zwei Dinge: Erziehung und Bildung – und Ignoranz."
Hamilton will, dass alle zusammen "auf unseren Plattformen weiterarbeiten, um die positiven Nachrichten zu verbreiten". Denn Menschen sollten in die bzw. zur Formel 1 kommen und sich sicher fühlen können. "Man sollte sich als Teil fühlen können und zuschauen können, egal wessen Fan man ist. Es sollte eben auch keine Rolle spielen, welches Geschlecht man hat, welche Sexualität oder welche Hautfarbe. Jeder sollte die Chance auf eine großartige Zeit haben!"
Red Bull Ring: "Kehren Vorfälle nicht unter den Tisch"
Nicht nur die Formel 1 will sich dem Thema nun genauer widmen, immerhin gehe es darum, nicht aufgrund der Belästigungen eine ganze Gruppe an Fans zu verlieren. Erste Forderung, auch für den Red Bull Ring: Die Möglichkeit, sich schnell an Security-Personal wenden zu können, oder auch mit gewissen Codes Hilfe rufen zu können. Das muss eine Selbstverständlichkeit sein. Erich Wolf, Geschäftsführer des Red Bull Rings, sagte am Montag knapp: "Die Vorfälle werden in enger Abstimmung mit der FIA in den nächsten Tagen und Wochen aufgearbeitet." Man kehre die Sache bestimmt nicht unter den Teppich, wurde versichert. Konsequenzen für folgende Rennen soll es geben.
Wie die Konsequenzen aussehen könnten, sei noch nicht klar: "Wir sprechen da nicht über Vermutungen. Zuerst arbeiten wir an dem Thema." Bis Sonntagabend sei aber keine einzige derartige Anzeige eingelangt, sagte Sprecher Christoph Grill. Dabei sei die Exekutive mit einer eigenen Expositur direkt am Red Bull Ring rund um die Uhr erreichbar gewesen, die Beamtinnen und Beamte seien auch am Gelände unterwegs und jederzeit ansprechbar gewesen.
Betont wurde allerdings, dass die Polizistinnen und Polizisten nicht direkt am Red Bull Ring für die Ordnung zuständig sind. Dafür sind Sicherheitskräfte und Ordner eingeteilt. Nur wenn es zu Vorfällen kommt, schreitet die Polizei am Ring-Areal ein. Die Zuständigkeiten seien da klar mit der FIA und dem Red Bull Ring geregelt. Da keine derartigen Anzeigen vorliegen, könne man seitens der Exekutive auch nicht ermitteln, so Grill. Er sagte einmal mehr, dass Frauen oder auch Männer, die möglicherweise belästigt wurden, das der Polizei melden sollen.