Das schwarze Motorhome von Mercedes im Fahrerlager von Spielberg gleicht einem luxuriösen Penthouse an der Côte d’Azur. Nicht das größte, aber es ist nach wie vor die erste Adresse im Paddock der Formel 1. Die Hospitality-Burgen der Teams werden entsprechend der Konstrukteurs-WM des Vorjahres aufgestellt und Mercedes holte sich dort im Vorjahr den Titel und hat daher die Poleposition. Am Ende des "Strips", ganz unten, stehen die kleinen Teams. Böse Zungen sprechen da von den "Slums" der Formel 1.

Toto Wolff, Motorsportchef bei Mercedes, Formel-1-Teamchef und anteiliger Teambesitzer (30 Prozent), lädt traditionell die rot-weiß-rote Journaille zum Barbecue auf die Terrasse oben erwähnter Raststätte für die Gäste der Sternmarke. Alles wird in Dirndl und Krachledernen serviert, dient zum simplen Gedankenaustausch, zur Besprechung der aktuellen Themen. Der Österreicher kam direkt vom Meeting der Mercedes-Ingenieure nach den beiden Crashs seiner Piloten im Qualifying für den Sprint. Zuvor gab es das Treffen der Formel-1-Kommission, bei dem eine Erhöhung der Budgetobergrenze um rund vier Millionen Dollar beschlossen wurde. Auch wenn die kaltverformten Mercedes W13 von Hamilton und Russell gleich einen Teil des "gewonnenen" Budgetspielraums verschlangen, ist Toto Wolff völlig entspannt. Immer ganz Gentleman, auch in nicht so erfolgreichen Zeiten. Denn nach acht Konstrukteurstiteln schaut es heuer nicht danach aus, als ob die Silberpfeile bei der Vergabe der WM-Kronen mitreden können.

Dachterrasse von Mercedes
Dachterrasse von Mercedes © Hofstädter

Warum Mercedes aber derart an Boden verloren hat, vermutet, ja weiß Toto Wolff ziemlich genau. "Wir haben unser Auto von Anfang an sehr tief gelegt, um den besten Ground Effect zu haben. Jedes Mal lag das Auto bei den Simulationen im Windkanal noch tiefer und tiefer", sagt der Wiener. "Wir haben zwar gewusst, dass das zu gewissen Problemen führen kann, aber am Ende haben wir es unterschätzt." Vermutlich profitieren die Teams, die Aerodynamiker aus der Zeit der 70er- und 80er-Jahre im Kader haben, die schon Erfahrung mit den damaligen Ground-Effect-Autos (die Autos "saugen" sich aerodynamisch sozusagen am Boden fest) gemacht haben. So haben Red Bull (Adrian Newey) und Ferrari ihre Autos deutlich höher gebaut.

Man habe aber schon etwas aufgeholt. "So, wie es unserer DNA entspricht", sagt Wolff, "wollen wir immer gewinnen. Siegen wird auch nie langweilig. Man will den ersten WM-Titel, dann den zweiten, um zu zeigen, dass der erste keine Eintagsfliege war, dann den dritten. Dann gibt es die eine oder andere Reglementänderung und wir wollen wieder das beste Team sein." Dazu hat jede Mercedes-Führungskraft ein kleines A5-Blatt bei sich, auf dem die Teamlogos der Weltmeister seit 1950 aufgedruckt sind – viel Gelb ist da zu sehen, vom Ferrari-Logo. "Aber wir wollen, dass bis 2050 viele schwarze Sterne dazu kommen", erklärt Wolff die Stoßrichtung. Das "Gelb" soll dann nicht mehr so dominant sein.

Auch sei Lewis Hamilton nach der Fehlleistung des "Schiedsrichters" Michael Masi im letzten Rennen von 2021 in Abu Dhabi, wo er den Titel in den letzten Runden noch gegen Max Verstappen verloren hat, nicht in ein Loch gefallen: "Keine Spur! Zwei Tage später war er Kitesurfen. Und ich glaube nicht, dass er da groß geheult hat", schmunzelt Wolff. Er bewundere die Kraft des Briten, der nie aufgebe, immer in die richtige Richtung arbeiten wolle – immer Richtung Erfolg. Abnützungserscheinungen gebe es da gar nicht: "Wir wollen noch zehnmal Weltmeister werden."

Toto Wolff mit Matteo Binotto und Kommunikationschef Bradley Lord
Toto Wolff mit Matteo Binotto und Kommunikationschef Bradley Lord © (c) APA/ERWIN SCHERIAU (ERWIN SCHERIAU)

Wie lange Hamilton noch fahren wird, sei derzeit kein Thema. Auch nicht, ob er, Toto Wolff selbst, an ein Ende seiner Teamchefrolle denkt. "Ich bin ja auch Teambesitzer, also habe ich gar keine andere Wahl." Er könne nicht aufhören, wenn es nicht gut läuft. "Wenn wir wieder gewinnen, könnte ich ja die Rolle des Aufsichtsratchefs übernehmen. Und so wie Niki früher allen auf die Nerven gehen."

Mit der Formel 1 habe er selbst über die CEO-Rolle in der Königsklasse geredet. "Ein Job, der wohl jedem gefällt, aber mit Stefano (Domenicali, Anm.) hat die Formel 1 einen Chef bekommen, der nicht zu überbieten ist. Er ist der perfekte Mann."

Mit der in Spielberg vereinbarten Anhebung des Budgetdeckels ist er mehr als zufrieden: "Wir hätten den Cost Cap nicht geschafft. Unsere Energiekosten sind von vier auf sechs Millionen Dollar gestiegen, die Frachtkosten von zwei auf sechs Millionen. Wir haben eine Inflation von sieben Prozent und haben die Gehälter nie angehoben. Wir haben da etwas ändern müssen ..."

Über die Verzögerungen beim Festschreiben der Motorenregeln für 2026, in Zusammenhang mit dem Einstieg von Porsche und Audi, wollte Wolff dann nichts Genaues wissen. "Die Bestätigung des neuen Reglements sollte schon Ende 2021 erfolgen. Warum es bis heute keine fixen Zusagen gibt, weiß ich auch nicht." Auch Mercedes wolle endlich eine Bestätigung. Porsche wird ja mit Red Bull eine Partnerschaft eingehen, das scheint fix, Audi eventuell doch mit Sauber. "Wobei: Ein bestehendes Team zu kaufen, wird nicht gehen, weil kein Team verkaufen will", weiß Wolff.