Nach den Buhrufen in Silverstone darf sich Red Bull Racing in Spielberg über einen umso herzlicheren Empfang freuen. Vor einer Woche waren Team und Weltmeister Max Verstappen wohl in Erinnerung an das dramatische WM-Finale 2021 ausgepfiffen worden, obwohl die RB-Fabrik in England steht. Für viele in der Formel 1 ist das ein No-Go, so auch für Christian Horner. Dass man etwa bei Problemen eines Fahrers applaudiert, sollte nicht sein, so der Teamchef von Red Bull Racing.
Horner bezog sich dabei auf die "Revanche" der zahlreichen holländischen Verstappen-Fans, die in Spielberg nach den Unfällen der Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und George Russell im Qualifying applaudiert hatten. "Es ist toll, dass die Formel 1 so boomt und dass es so viele begeisterte Fans gibt. Aber alle Fahrer riskieren ihr Leben. Es sollte nicht sein, dass man applaudiert oder jubelt, wenn jemand einen Unfall oder Probleme hat", erklärte Horner im Exklusiv-Gespräch mit der Austria Presse Agentur in der RB-Energy-Station.
Auch Horner ist über den nun höher gesetzten Budgetdeckel glücklich. Hinsichtlich des hauptsächlich bei Mercedes auftretenden "Porpoisings" (Hüpfen der Autos) sieht der Engländer aber keinen Grund, dass der Motorsport-Weltverband einschreiten sollte. Gar nicht so sehr wegen möglicher technischer Änderungen. "Die würden uns nicht sonderlich treffen. Aber die Frage ist, was das für Präzedenzfälle schafft", so Horner.
Wenn es um Sicherheit gehe, solle nicht die FIA diktieren, wie das Set-up eines Autos auszusehen habe. "Was kommt dann? Eine Vorschrift, wann du bei einsetzendem Regen die Nassreifen aufzuziehen hast?", fragt sich Horner. "Es ist nicht das Business der FIA zu entscheiden, was sicher ist und was nicht. Das ist Aufgabe der Teams."
Red Bull Racing hat von 2010 bis 2013 mit Sebastian Vettel alle WM-Titel gewonnen und ist im Vorjahr in einem nicht unumstrittenen Finale in Abu Dhabi zumindest hinsichtlich Pilotentitel für Verstappen zum Erfolg zurückgekehrt. Ob sich nun eine neuerliche Siegesära abzeichnet, wagt Horner nicht vorauszusagen.
"Der Wettbewerb in der Formel 1 ist unglaublich hoch. Wir haben zuletzt sehr viel Energie aufgewendet, um die Dominanz von Mercedes zu brechen. Das ist nun unter neuen Regeln ähnlich", sagte Horner, dessen Truppe in der Teamwertung voran liegt und mit Verstappen und Sergio Perez beide Fahrer an der Spitze der Pilotenwertung stellt. "Das, wo wir zur WM-Halbzeit stehen, ist der Beweis für die harte Arbeit des ganzen Teams und seiner Mitarbeiter, die einen unglaublichen Job gemacht haben", lobte Horner.
An Abu Dhabi denke er definitiv nicht mehr. "Diese Seite haben wir umgeschlagen. Die volle Konzentration gilt dem neuen Jahr. Wir haben nun stolz die Nummer 1 auf dem Auto und tun alles, damit diese dortbleibt." Man sei mitten in einem Riesenkampf, auch gegen ein wieder aufgeblühtes Ferrari-Team. "Und wir haben noch viele Rennen und Punkte vor uns."
Rückblickend auf die Ereignisse vor 20 Jahren, als in Österreich Rubens Barrichello seinen Ferrari-Teamkollegen Michael Schumacher schon im jeweils sechsten von 17 Saisonrennen "wegen der WM" zweimal vorbeilassen musste, stellte Horner hinsichtlich Teamorder klar: "Beide unsere Fahrer sind in WM-Kampf. Als Team musst du aber immer den klügsten Schritt tun, denn das Team kommt immer zuerst." Beide Piloten würden aber gleichbehandelt werden. "Also kommt es immer darauf an, was sie auf der Strecke tun. Momentan schauen wir drauf, dass beide möglichst vorne sein können."