Der Vorsprung von Leader Max Verstappen wächst und wächst, noch ist die Formel 1-Weltmeisterschaft aber nicht bei Saisonhälfte angelangt. Der Niederländer dämpfte nach seinem Triumph in Montreal am Sonntag zu große Vorfreude auf eine mögliche Titelverteidigung. Der Große Preis von Kanada zeigte: Andere waren eigentlich schneller als der regierende Weltmeister im Red Bull. Bei Konkurrent Ferrari machten die starken Vorstellungen von Carlos Sainz und Charles Leclerc Hoffnungen.
Verstappen gab in Montreal vor vollen Rängen erneut die Linie vor. Nach seinen zwei Ausfällen in den ersten drei Saisonrennen stand der 24-Jährige in den letzten sechs Grands Prix nur in Monte Carlo als Dritter nicht ganz oben auf dem Podest. Nach seinem jüngsten Sieg ist sein Vorsprung in der WM-Wertung auf Teamkollege Sergio Perez und Ferrari-Star Charles Leclerc auf 46 respektive 49 Punkte angewachsen. Eine Garantie für einen Alleingang ist dies für den "fliegenden Holländer" aber keinesfalls. Vor einem Jahr hatte Verstappen zum gleichen Zeitpunkt der Saison 32 Punkte mehr auf dem Konto als Lewis Hamilton, nur zwei Rennen später lag er acht hinter dem Briten.
"Es ist noch immer ein langer Weg. Der Vorsprung ist ziemlich groß, aber das kann sehr schnell umschlagen", meinte Verstappen nach seinem ersten Sieg in Montreal. Sie seien im Rennen nicht die Schnellsten gewesen, betonte der WM-Spitzenreiter. "Es hat nicht immer gut ausgeschaut. Aber wir haben trotzdem gewonnen, das ist auch eine Qualität." Sieg Nummer sechs im neunten Saisonrennen war vor allem sein Verdienst. Runde für Runde in der Schlussphase hatte er Carlos Sainz mit einem Abstand von unter einer Sekunde im Rückspiegel gehabt. Der Spanier kam aber trotz des schnelleren Boliden und der Überholhilfe DRS einfach nicht an Verstappen vorbei.
Der Ferrari ist das schnellste Auto im Feld
Der aus der letzten Startreihe ins Rennen gegangene Leclerc wurde nach einer Aufholjagd Fünfter. Ob Ferrari in den nächsten Rennen den Druck auf Red Bull erhöhen kann, bleibt abzuwarten. Das schnellste Auto im Feld haben die Italiener. Das einzige Manko ist die Zuverlässigkeit. Immer wieder gibt es Probleme mit dem Antrieb. Der Tiefpunkt war vor einer Woche der Doppelausfall in Baku. In Kanada bekamen beide Fahrer deshalb einen neuen Motor.
"Wir haben jetzt neue Motoren für die kommenden Rennen und haben vier Rennen bis zur Sommerpause, in denen wir angreifen können", meinte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. Bis zum nächsten Grand Prix am 3. Juli in Silverstone verbleiben noch knapp zwei Wochen. Der Große Preis von Großbritannien wird das erste von sieben Europa-Rennen bis Mitte September sein. Vor der einmonatigen Schaffenspause im August wird auch noch in Spielberg in der Steiermark (10. Juli), in Le Castellet/Frankreich (24. Juli) und in Budapest (31. Juli) um WM-Punkte gefahren.
Während man bei Ferrari weiter vom ersten WM-Titel seit 2007 träumt, hat man bei Mercedes die aktuelle Saison bereits abgeschrieben. Die Silberpfeile durften sich in Kanada nach längerer Zeit aber wieder freuen. Lewis Hamilton schrieb unmittelbar vor Teamkollege George Russell Platz drei an. Der siebenfache Weltmeister, der bereits fast 100 Punkte hinter Verstappen liegt, freute sich wie über einen Sieg. "Wir kommen näher", meinte Hamilton. Schon verhaltener war die Freude bei seinem Chef. "Wir müssen happy sein. Das ist okay", betonte Mercedes-Teamchef Wolff, sagte aber auch: "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer."
Die Konkurrenz ist allerdings schon gewarnt. "Mercedes hat massiv aufgeholt", sagte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko. "Die sahen stark aus, deutlich stärker als vorher. Wenn sie konstant auf dem Level sind, dann sind sie dabei im Kampf da vorne", betonte auch Leclerc. In puncto Zuverlässigkeit kann Mercedes im Unterschied zu Ferrari bisher punkten. Der regierende Konstrukteurs-Weltmeister ist weiter die einzige Equipe ohne Ausfall in diesem Jahr.