Max Verstappen baute mit seinem sechsten Saisonsieg beim Grand Prix von Kanada in Montreal seine WM-Führung noch einmal deutlich aus – doch der Weltmeister, der das Wochenende auf dem Circuit Gilles Villeneuve zu beherrschen schien, musste in der Schlussphase noch einmal zittern, ehe der Erfolg vor Carlos Sainz jr., im Ferrari und Lewis Hamilton im Mercedes feststand. Der Spanier hatte ein bisschen Glück, eine Safety-Car-Phase für seinen zweiten Boxenstopp optimal nutzen zu können, und kam so wieder in Schlagdistanz und machte in den letzten 15 Runden mit frischeren Reifen deutlich Druck und sicherte sich auch die schnellste Rennrunde.
Verstappen hatte sich am Samstag in einem nassen Qualifying, das einige Überraschungen lieferte, überlegen die Pole Position gesichert, vor Fernando Alsonso, der zum ersten Mal seit zehn Jahren, seit Hockenheim 2012, wieder in der ersten Startreihe stand, im Rennen dann aber auf Platz sieben zurückfiel. Nachdem er sich nach gutem Start schnell etwas absetzen konnte, schien er das Rennen zu kontrollieren, kompliziert wurde es nur durch die Montreal-typischen Zwischenfälle, die für zwei virtuelle Safety-Car-Phasen und zuletzt ein echtes Safety-Car sorgten. "Das hat sicher nicht geholfen, aber Carlos war heute auch sehr stark. Aber es hat schon Spaß gemacht", freute sich der Holländer. Enttäuschung dagegen für den zweiten Red Bull-Piloten Sergio Perez, der an einem für ihn ziemlich verkorksten Wochenende schon in der Anfangsphase mit einem Getriebedefekt ausschied.
"Diese letzten Runden, dafür brauchte man schon ein sehr starkes Nervenkostüm", gab Red-Bull-Motorsportkoordinator Helmut Marko zu. "Wir hatten aus der Spitzengruppe die ältesten Reifen, Sainz war speziell im zweiten Sektor sehr schnell, deswegen ist Max nicht aus dem DRS-Fenster gekommen. Natürlich war der Sieg ein wichtiger Schritt auf dem Weg in Richtung WM, aber so etwas kann sich auch schnell wieder ändern, so ein Vorsprung kann auch schnell wieder verschwinden. Man sieht, dass sich an der Spitze alles leistungsmäßig immer mehr zusammenschiebt."
Safety Car sorgte für Spannung
Yuki Tsunoda im Alpha Tauri, der sich beim Herauskommen aus der Boxengasse mit kalten Reifen in die Reifenstapel verabschiedete, war es gewesen, der 20 Runden vor Schluss noch einmal extreme Spannung in das Rennen brachte. Einer der großen Gewinner war auch Charles Leclerc. Der Ferrari-Pilot hatte nach Wechsel der kompletten Antriebseinheit aus der letzten Reihe starten müssen und sich zunächst bei seiner Aufholjagd durch das Feld schwerer tat als erwartet, schaffte es dann aber mit relativ frischen Reifen noch einmal, einige Plätze gut zu machen und als Fünfter zumindest Schadensbegrenzung zu betreiben.
Zu den Verlierern gehörte auch Sebastian Vettel. Der hatte nach vielversprechenden Trainings schon im Qualifying eine herbe Enttäuschung erlebt, als sich Aston Martin mit dem Reifendruck vertat und er deshalb schon im Q1 ausschied. Von Startplatz 16 aus schien er zunächst in der Lage, trotzdem in die Punkte zu fahren. Doch die Entscheidung, in der Safety-Car-Phase nicht zu einem erneuten Reifenwechsel an die Box zu kommen, erwies sich als falsch. Mit den alten Gummis war er in der Schlussphase chancenlos und fiel noch auf Platz 12 zurück, während sich ausgerechnet sein Teamkollege Lance Stroll, der gewechselt hatte, als Zehnter noch den letzten Punkt eroberte.
Zufriedenheit bei den Silberpfeilen
Zufrieden war man bei Mercedes für die Plätze drei und vier für Lewis Hamilton und George Russell: „Wir haben das heute mit unserer Pace herausgefahren, waren am Ende des zweiten Stints auch bei den Schnellsten“, freute sich Teamchef Toto Wolff. „Das ist vielversprechend, aber wir müssen auch vorsichtig sein – denn eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Wir müssen sehen, wie es jetzt in Silverstone weitergeht – bis jetzt waren wir dort ja immer sehr gut, aber wir wissen nicht, ob das mit den neuen Autos jetzt auch noch gilt.“
Großes Pech hatte Mick Schumacher: Der hatte im verregneten Qualifying mit Platz sechs den bisher bestens Startplatz seiner Karriere herausgefahren, war auch im Rennen auf Platz acht sicher in den Punkterängen unterwegs, als ihn ein Defekt im Antriebsbereich stoppte: Die MgU-K, die Rückgewinnungseinheit für die Bremsenergie, streikte – ein Teil, das in den Bereich der Ferrari-Verantwortung fällt. „Ich bin natürlich schon sehr enttäuscht, denn heute hätte das mit meinen ersten Punkten wirklich etwas werden können. Trotzdem nehme ich aus diesem Wochenende sehr viel Positives mit, der Speed hat gestimmt, ich habe unter schwierigen Bedingungen keinen Fehler gemacht...“
Karin Sturm