Denn auch wenn die Silbernen in diesem Jahr nicht der Hauptgegner sind – die extreme Rivalität und die Feindseligkeiten von 2021 sind noch nicht vergessen. Und dass Mercedes jetzt zum absoluten Wortführer einer Kampagne wird, die versucht, bei der FIA Regeländerungen zu erzwingen, weil das Hüpfen der Autos, das sogenannte Bouncing, die Gesundheit der Fahrer gefährde, löst bei Red-Bull-Teamchef Christian Horner, aber auch bei einigen anderen im Fahrerlager, schon eine Mischung aus ironischem Grinsen und Ärger aus.

"Mercedes hat ein schlechtes Auto gebaut, sie bekommen das Problem nicht in den Griff – deshalb versuchen sie jetzt, zu erreichen, dass die Regeln geändert werden, um selbst davon zu profitieren", argumentiert Horner. Mercedes-Teamchef Toto Wolff hatte ja nach dem Rennen, auch angesichts der massiven Rückenprobleme von Lewis Hamilton, davon gesprochen, dass beim Fahrerbriefing am Freitagabend alle Piloten außer Fernando Alonso dafür gewesen seien, dass sich etwas ändern müsse. Aufs Tapet gebracht hatte das Thema Mercedesfahrer George Russell in seiner Rolle als GPDA-Vorsitzender.

Hörte man sich allerdings bei den einzelnen Fahrern um, klang das durchaus anders. Einige, wie Pierre Gasly oder auch Sebastian Vettel, stellen sich zwar eher auf die Seite derer, die glauben, es müsse etwas passieren. Andererseits sind nicht alle, die sich speziell auf dem extrem welligen Kurs von Baku über Probleme beklagten, der Meinung, dass man deswegen nun grundsätzlich das Reglement ändern müsse. Zweitens fällt auf, dass sich eben verstärkt diejenigen beschweren, die grundsätzlich mit den neuen Autos weniger gut zurechtkommen. Bei Ferrari etwa macht zwar auch Charles Leclerc ab und zu mal eine Bemerkung, das Bouncing sei "störend", der große Wortführer zum Thema ist aber Carlos Sainz jr., der in diesem Jahr im Gegensatz zu 2021 deutlich hinter seinen Teamkollegen zurückgefallen ist.

Sowieso entsteht der Eindruck, dass gerade je länger die Saison fortschreitet, immer mehr Teams das Problem besser in den Griff bekommen. Aston Martin hat mit seiner B-Version einen Weg gefunden, weicher zu fahren. Red Bull betrifft das Schaukeln ohnehin nicht so sehr. Helmut Marko sagt schon von Anfang an: "Unsere Fahrer beeinträchtigt es nicht gravierend." Ferrari hat eine gewisse Auf- und Ab-Bewegung im Fahrzeug, kann es jedoch besser kontrollieren und verliert deutlich weniger Performance als Mercedes. Alfa Romeo hatte in Baku überhaupt kein Bouncing. Alpine kann es mehr oder weniger an- und abstellen. McLaren hat es nur in geringem Ausmaß, Alpha Tauri besser im Griff als zu Saisonbeginn, Haas kommt zurecht, indem man die Bodenfreiheit erhöht, auch wenn man dadurch einen gewissen Performance-Verlust in Kauf nehmen muss – und Williams hat wohl einfach zu wenig Abtrieb, um überhaupt in diese Probleme zu kommen.

Bleibt also nur Mercedes – und genau deswegen kommen von der Konkurrenz eine Menge sarkastischer Kommentare: "Sollen sie doch einfach höher fahren." Toto Wolff behauptet, dass selbst das nicht funktionieren würde, genauso wenig wie eine weichere Abstimmung: "Das würden wir gerne machen, aber das weichste Element im Auto oder der einzige Dämpfer beim Highspeed ist nur noch der Reifen. Da geht nichts mehr über die Dämpfung, nur über den Reifen." Konter der Konkurrenten: "Dann ist das ein Problem von denen – dann müssen die eben ihr Konzept ändern."

Offiziell hat die FIA zu dem Thema noch nicht Stellung genommen, man hört aber, dass sie es schon ernst nehme und sich sowohl von medizinischer Seite als auch in anderen Rennserien, auch im Rallye-Bereich, informieren und auch mit den Technikchefs das Gespräch suchen wolle. Dass es zu schnellen Änderungen kommen könne, glauben aber selbst die Fahrer nicht, die auf solche hoffen: "Wenn, dann wohl eher erst im nächstes Jahr", meint etwa Pierre Gasly ...