In der Formel 1 bricht 2022 eine neue Zeitrechnung an. Die hochgerüsteten PS-Monster müssen sich in diesem Jahr einem neuen Regelwerk unterwerfen, alte Design-Komponenten mussten daher über Bord. Am ersten Tag der Testfahrten in Montmeló nahe der spanischen Metropole Barcelona war die Vorfreude mindestens ebenso so groß wie das Rätselraten, was die Revolution bringen mag. Die erste Bestzeit mit den neuen Boliden erzielte am Mittwoch der Brite Lando Norris im McLaren.
Am Vormittag war Charles Leclerc im Ferrari der Schnellste gewesen, der Monegasse kam im Tagesklassement am Ende auf Platz zwei. Weltmeister Max Verstappen absolvierte den kompletten Testtag für Red Bull und wurde mit mehr als zweieinhalb Sekunden Rückstand Neunter. Mercedes-Star Lewis Hamilton übernahm das Auto erst am Nachmittag von seinem neuen Teamkollegen George Russell und landete unmittelbar hinter seinem jungen Landsmann auf Rang fünf.
Noch keine Ziele
Auf dem Circuit de Catalunya wurden die neuen Wagen allerdings vorerst primär auf ihre Haltbarkeit getestet. "Ich habe noch keine Ziele für diese Saison gefasst", sagte Verstappen. Der 24-jährige Niederländer drehte am Mittwoch noch exklusiv die Runden mit dem neuen RB18 und wurde dabei zum Objekt der Fotografen-Begierden. Vor zwei Wochen bei der offiziellen Präsentation hatten die Bullen nämlich nur ein Showcar gezeigt.
"Die Regeln sind ganz anders dieses Jahr", weiß Verstappen, der wie alle anderen Piloten erst einmal ein Gefühl für das neue Gefährt entwickeln will. "Ich will einfach auf die Strecke hinaus und versuchen, das Bestmögliche abzuliefern, so wie jedes Jahr. Wenn das Auto schnell ist, bin ich sicher, dass wir wieder einen sehr guten Job machen werden."
Ganz ähnlich klang Stallgefährte Sergio Perez, der am Donnerstag zum Einsatz kommt. "Ich will, dass wir in dieser Saison unsere Team-Performance maximieren und gewinnen", verlautbarte der Mexikaner. "Ich denke, der Schlüssel zum Erfolg mit dem neuen Regelwerk ist, wie schnell die Teams sich entwickeln und sich auch während der Saison verbessern können."
Viele Neuerungen
Worin genau unterscheiden sich die neuen Autos im Vergleich zu den Modellen des Vorjahres? Nun, Mercedes-Chefingenieur Andrew Shovlin erklärte dazu: "Mehr Komponenten haben sich bei diesem Auto verändert als in irgendeinem anderen Jahr, soweit ich mich erinnern kann."
Der Brite führte aus, dass beim Facelift mit neuen Front- und Heckflügeln vor allem ein leitender Gedanke im Hintergrund stand: "Das aerodynamische Verhalten des Autos wurde in den Regeln komplett neu gedacht, damit man dichter auffahren kann, damit wir bessere Rennaction sehen." Die nachteiligen Luftverwirbelungen, die das Verfolgen des Vordermannes über längere Zeit und letztlich das Überholen extrem erschwert haben, sollten also ausgemerzt werden.
"Außerdem haben wir ganz andere Reifen (18 Zoll/Anm.). All das müssen wir erst verstehen", sagte Shovlin. Denn bei den nun ausrangierten Fabrikaten wusste man genau, in welchen Spannen bezüglich Temperatur, Feuchtigkeit etc. sie am besten arbeiteten und das höchste Grip-Level boten. Dabei gab es von Jahr zu Jahr vergleichsweise geringe Änderungen. "Die Autos davor waren praktisch eine Evolution." Diese ganze, über Jahre gewonnene Entwicklungsarbeit ist nun mehr oder weniger Datenmüll.
Hinzu kommt in diesem Jahr auch ein leicht adaptierter Ablauf eines Rennwochenendes. Dadurch bedingt, dass die Beteiligten immer mehr Rennen – erstmals sind es heuer 23 – abzuspulen haben, wurden die Trainings am Freitag ein paar Stunden nach hinten versetzt. Die erste Session wird – direkt nach den Medienterminen, für die früher der Donnerstag reserviert war – üblicherweise nach Mittag beginnen, das zweite Training wird am späten Nachmittag gefahren. Im Umkehrschluss bedeutet das allerdings auch, dass die Teams am Freitagabend noch mehr Zeitdruck haben. Vor allem, wenn dann größere Reparaturarbeiten anstehen, wird sich das bemerkbar machen.