Unbestritten macht die Formel 1 mit dieser Saison Lust auf mehr. Ein offener Schlagabtausch, zwei charakterlich und vielerlei anderer Hinsicht komplett konträre Kontrahenten, die punktgleich ins Finale gehen und Rennen, die in Jahren noch für Gesprächsstoff sorgen werden. Abflüge, Abschüsse, Auffahrunfälle - diese Weltmeisterschaft bleibt mit Sicherheit unvergessen.
Doch bei all dem Drama, der Spannung und dem von allen so geliebten Ende der Alleinherrschaft von Mercedes (oder davor Red Bull) bleibt vor allem auch ein Aspekt in den Köpfen der Motorsport-Fans: das chaotische Handeln der Rennleitung rund um deren Renndirektor Michael Masi. Eines sei von vornherein klargestellt: Es geht dabei nicht etwa um einzelne Entscheidungen, die Mercedes halfen oder manchmal Red Bull beflügelten.
Die Grabenkämpfe zwischen beiden Rennställen, von den Teamchefs angefangen bis hin zur Anhängerschaft, sind mittlerweile zu einem Kampf ohne Bandagen mutiert. Das von manch Boulevard-Medium zum "Hassduell" hochstilisierte Wettrennen um den Titel wird gleichermaßen auf der Strecke, am grünen Tisch, über Funk, aber auch über die und in den Sozialen Netzwerken ausgetragen. Diese angespannte Atmosphäre macht es der FIA offenbar alles andere als einfach, nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen. Als Rennleiter ist man für die Seite, gegen die entschieden wird, immer ganz schnell der "Trottel"; unabhängig davon, ob die Entscheidung objektiv richtig ist.
Und trotzdem hat die Rennleitung mit ihrer laienhaften Kommunikation maßgeblichen Anteil an der derzeitigen Eskalation in der Formel 1. Verschwörungstheorien, wonach Mister Masi einzig einen Weltmeister Hamilton wolle oder doch da und dort mit Red Bull Teamchef Christian Horner beim geheimen Essen gesehen wurde und daher für die Bullen entscheide, haben genau so viel Wahrheitsgehalt, wie die Theorie, dass ein Pferde-Entwurmungsmittel Corona heilen kann. Und den "echten, neutralen Fans" stößt nicht eine mögliche Verschwörung auf, sondern das sprunghafte Handeln der Rennleitung in Situationen, in denen es klare Ansagen bräuchte.
Bestes Beispiel: der Große Preis von Saudi-Arabien. Den ersten Rennabbruch kann man mit dem Argument der Sicherheit voll und ganz nachvollziehen. Danach gingen Masi die Argumente für sein Handeln aber wohl aus. Zunächst verhandelte der Australier mit beiden Teams über die neue Startaufstellung vor dem Re-Start, was es in dieser Art und Weise noch nie in der Formel 1 gab. Dabei vergaß er zu allem Überfluss auch noch, dass Esteban Ocon an der Spitze mitmischte und musste erst von den Teams darauf hingewiesen werden. "Willkommen am Basar von Jeddah", scherzten einige TV-Experten nicht zu Unrecht.
In Folge ist die Strafe der Stewards von fünf Sekunden für Verstappen wegen des Verlassens der Strecke schon schwieriger, aber doch nachvollziehbar. Wenn die Telemetriedaten tatsächlich beweisen, dass Verstappen absichtlich gebremst hat, sind es sogar die zehn Sekunden Strafe in der Nacht für den damit verursachten Auffahrunfall. Natürlich hätte Hamilton überholen können, die Stewards befassten sich ausführlich mit dem Vorfall. Hoffentlich ausführlicher als alle Facebook-Kommentatoren, die von "Betrug" und "Verschwörung" sprechen.
Aber zum Unfall selbst kam es nicht zuletzt deswegen, weil die Kommunikation zwischen Rennleitung und Mercedes wieder nicht einwandfrei funktionierte. Im Lager der "Silberpfeile" habe man schlicht nichts davon gewusst, dass Verstappen Hamilton vorbeilassen würde. Eine ideale Leitung des Rennens, wie es der Name eigentlich vorgibt, sieht anders aus. Klare Ansagen und offene Kommunikation zum richtigen Zeitpunkt hätten den Crash ganz leicht verhindert.
Getoppt wurde all das von den zahlreichen und teilweise kurios getimten Virtual-Safety-Car-Phasen. Auch wenn da das größtenteils unerfahrene Personal an der Strecke mit ins Spiel kommt. Wieder eine andere Geschichte. Was bleibt: Einen glücklichen Eindruck machte die Rennleitung nicht.