Der Sonntag ist in Saudi-Arabien ein herkömmlicher Wochentag, aber Jeddah wirkte dennoch tagsüber wie leergeräumt. Es schien, als hätten sich die Bewohner im Stillen auf die Formel-1-Premiere in ihrem Land vorbereitet, um am Abend die mit Grand-Prix-Flair angereicherte Meeresluft so richtig genießen zu können.
Für die schnellsten Berufskraftfahrer der Welt gab es indes keine Genusstour, sondern einen echt harten Arbeitstag, dessen Ende nach einem außerordentlich chaotischen Rennen alles offen ließ. Denn Lewis Hamilton gewann das vorletzte Saisonrennen und zog mit Max Verstappen gleich. Der Niederländer liegt nur noch aufgrund der höheren Anzahl an Siegen (neun zu acht) voran. Das Duell der beiden Anführer des bedeutendsten Motorsport-Konvois wird am kommenden Sonntag beim WM-Schlussakt in Abu Dhabi final entschieden.
Das Chaos hatte sich irgendwie abgezeichnet. Schon im Ermittlungsverfahren für die Startaufstellung hatte sich der Niederländer leicht übernommen und eine Bestzeit in die Streckenbegrenzung eingraviert. Das Formel-2-Rennen war nach einer Startkollision und einem weiteren Unfall schon nach wenigen Runden zu Ende. Enzo Fittipaldi, der Enkel des ebenfalls angereisten brasilianischen Ex-Weltmeisters Emerson Fittipaldi, wurde ins Krankenhaus gebracht.
Den Piloten musste unter dem Nachthimmel von Jeddah einleuchten, dass auf dieser neuen Strecke die Kombination aus frischem Asphalt, starker Luftfeuchtigkeit und hohen Temperaturen eine gefährliche Mischung ergibt, nämlich eine im Verhältnis zu anderen Formel-1-Pisten spiegelglatte Fahrbahn. Kurz, es war sehr rutschig.
Überraschenderweise passierte der erste Unfall erst in der zehnten Runde, als sich Mick Schumachers Haas selbstständig machte. Was belanglos klingt, hatte weitreichende Folgen. Hamilton und Valtteri Bottas, die das Rennen seit dem Start vor Verstappen angeführt hatten, nutzten die Safety-Car-Phase zum Reifenwechsel, während der vom Finnen zuvor blockierte Niederländer draußen blieb. Wegen einer Reparatur an der Strecke musste jedoch bald darauf das ganze Feld in die Box, wo nun an Verstappens Red Bull ganz gemütlich die Räder getauscht werden konnten.
Bis zum nächsten Abbruch dauerte es nur wenige Sekunden. Verstappen verlor beim Neustart die Führung an Hamilton, holte sich diese aber in der ersten Doppelkurve relativ brachial außerhalb der Strecke zurück. Unmittelbar dahinter brachten zwei Unfälle das Rennen neuerlich zum Stillstand. Um einer Strafe zu entgehen, reihte sich der Niederländer auf Vorschlag von Renndirektor Michael Masi für den dritten Start hinter dem nach vorne gespülten Esteban Ocon und Hamilton auf Platz drei ein.
Diesmal jedoch holte sich Verstappen mit einem glänzenden Manöver und dank der Medium-Reifen gegenüber den harten Gummis beim Konkurrenten die Führung. Das nun auch auf der Piste direkt gebotene WM-Duell wurde jedoch durch zahlreiche weitere Zwischenfälle mit dazugehörigen Virtual-Safety-Car-Phasen permanent gestört. Dies schonte die Reifen, was Verstappen mit der weicheren Mischung zugutekam.
Trotz aller Unpässlichkeiten geriet das Rennen aber noch in eine dramatische Wendung. Hamilton griff an, Verstappen schlug zurück, kürzte ab und wurde mit einer Fünf-Sekunden-Strafe belegt. Ehe dies bekannt wurde, kam es bei einem zweiten Überholmanöver zu einer Kollision der Duellanten. Der Brite fuhr auf seinen nach Team-Anordnung langsamer gewordenen Gegner auf und beschädigte dabei die Frontpartie seines Mercedes sowie das Heck von Verstappens Red Bull. Beide konnten das Rennen aber fortsetzen. Schließlich überholte der Titelverteidiger den Herausforderer auch auf der Strecke und gewann das Rennen. "Es ist, wie es ist", meinte Verstappen. Es gibt ein großes Finale.