Der Titelkampf in der Formel 1 spitzt sich dramatisch zu. "Der Halo hat Lewis' Leben heute gerettet", schrieb Mercedes nach dem schweren Crash von Lewis Hamilton mit Max Verstappen in Monza. Der Unfall, bei dem der Cockpitschutz den siebenmaligen Rekordweltmeister vor Schlimmerem bewahrte, wird so schnell nicht vergessen werden. "Nun gibt es endlich einen neuen Kampf zwischen zwei Monstern, die sich hassen", formulierte die spanische Zeitung "La Vanguardia" martialisch.
Die Bilder des Red Bulls von Verstappen auf dem Mercedes von Hamilton waren in der Tat erschreckend. "Der nächste große Knall", titelte die "Süddeutsche Zeitung", "Volle Fahrt ins Drama" die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Den "Supercrash der beiden Titeljäger" sah der Schweizer "Blick", einen "Krieg" die italienische "Gazzetta dello Sport" und andere Medien. Das Autodrom von Monza wurde "in Kürze zu einer brutalen Stierkampf-Arena", schrieb "La Repubblica".
"Es braucht nur eine Millisekunde vom Rennfahren zu einer sehr unheimlichen Situation", sagte Hamilton selbst. Jemand habe auf ihn aufgepasst, meinte der Mercedes-Pilot. "Ich möchte das von keinem Fahrer denken, aber ich denke, dass es entweder eine Fehleinschätzung oder eine kalkulierte Bewegung war, um mit Lewis zu kollidieren", sagte der ehemalige britische Weltmeister Damon Hill mit Blick auf Verstappens Aktion.
Hamiltons Schutzengel heißt freilich Halo, der "Heiligenschein" in Form des Cockpitschutzes, der seit 2018 Pflicht in der Formel 1 ist. Ohne die anfangs als "Flip-Flop-Bügel" oder dergleichen verspottete Vorrichtung hätte der Vorfall "viel schlimmer" ausgehen können, befand Mercedes-Boss Toto Wolff. Der Wiener äußerte aber auch für die Grundmotive der beiden Piloten Verständnis: "Wir sehen einen Fight von zwei wirklichen Topfahrern. Ein Junger, der kommt, dessen Zukunft vor ihm liegt, und der Lewis mit sieben Weltmeistertiteln. Und dass wir Zeitzeugen sein können von diesem Fight, dass wir den miterleben und mitkommentieren dürfen, finde ich super. Die bleiben sich nichts schuldig. Insofern macht es auch Spaß."
Wenig Spaß hatte verständlicherweise Verstappen, dem ein verpatzter Boxenstopp vor dem Zusammenprall die Laune im Auto verdorben hatte. "Der Start war schlecht, die Strategie war schlecht. Der Boxenstopp war schlecht und dann der Crash mit Lewis", sagte der Niederländer nach einem enttäuschenden Wochenende. Der WM-Führende, der vor zwei Monaten Leidtragender einer Kollision der beiden bei Hamiltons Heimsieg in Silverstone gewesen war, hatte den Unfallort ohne einen Blick auf seinen Rivalen verlassen. "Ich habe gesehen, wie Max aussteigt und vorbei geht", schilderte Hamilton. "Das hat mich überrascht. Wenn du so einen Unfall hast, ist das Erste, was du wissen willst, dass der andere okay ist."
Formel-1-Sportdirektor Ross Brawn meinte: "Du hast zwei Streithähne auf dem Bauernhof, und das ist die Konsequenz." Der frühere Wegbegleiter von Rekordweltmeister Michael Schumacher erwartet weitere knallharte Zweikämpfe: "Keiner wird bis Jahresende auch nur für einen Moment zurückstecken, aber ich hoffe, dass die Weltmeisterschaft auf der Strecke und nicht in den Leitschienen oder im Büro der Rennkommissare entschieden wird."
"Wir akzeptieren die Entscheidung der Stewards"
Durch die Strafe der Rennjury muss Verstappen in zwei Wochen in Russland in der Startaufstellung drei Plätze zurück. Nicht damit einverstanden war Red Bulls Motorsport-Konsulent Helmut Marko, der einen "Rennunfall" ausmachte. Dass Verstappen für sein Manöver sanktioniert wurde, fand auch Teamchef Christian Horner "enttäuschend. Aber wir akzeptieren die Entscheidung der Stewards". Marko: "Sotschi war eine Mercedes-Strecke in der Vergangenheit. Aber wir sind heuer überall wettbewerbsfähig gewesen, und wenn alles optimal zusammenstimmt, dann können wir Mercedes dort auch fordern."
Mit McLaren ist unterdessen ein echter Konkurrent für die beiden Spitzenteams Red Bull und Mercedes erwachsen. Vor allem deshalb, weil Daniel Ricciardo so richtig angekommen zu sein scheint. Der Sieg des Australiers in Monza vor Teamkollege Lando Norris beendete eine fast neunjährige Phase voller Sehnsucht, aber ohne einen einzigen Erfolg für das britische Traditionsteam.