Die erste Möglichkeit, gleich nach der Urteilsfindung seitens der Sportkommissare beim Großen Preis von England in Silverstone, innerhalb der ersten Stunde nach der Bekanntgabe der 10-Sekunden-Strafe von Lewis Hamilton einen Protest anzukündigen, hat Red Bull Racing verabsäumt. „Damit ist das Urteil der Kommissare einmal in Zement einbetoniert“, erklärt Walter Jobst, selbst FIA-Sportkommissar bei dem einen oder anderen Formel-1-Rennen.
Und dagegen zu berufen wird aus der Sicht des Klagenfurters eher schwierig, zumindest sind die Erfolgsaussichten eher gering. „Außer es gibt neue und signifikante Erkenntnisse, die den Kommissaren in Silverstone noch nicht zur Verfügung gestanden waren“, so Jobst weiter. „New Elements“ heißt das wortwörtlich im Artikel 14 des Internationalen Sporting Codes. Dadurch wird den Teams die Möglichkeit gegeben, eine Szene neu beurteilen zu lassen. „Was aber selten genug vorkommt. Weil wir im Grunde jeden Zwischenfall aus den verschiedensten Kamera-Einstellungen betrachten können. Und es stehen auch sonstige Telemetrie-Daten zur Verfügung“, weiß der Kärntner FIA-Kommissar.
„Aber wir hatten so einen Fall auch in Spielberg. Hamilton soll unter Gelb sein Tempo nicht verringert haben. Zuerst sprachen wir ihn frei, später tauchten doch offizielle Videoaufnahmen auf, die doch klar belegten, dass Hamilton die Gelben Flaggen gesehen haben muss. Damals verhängten wir nachträglich ein Grid-Penalty“.
Für Jobst ist es nun eher unwahrscheinlich, dass selbst neue Videodaten als „signifikant“ eingestuft werden könnten. „Die Sachlage ist diesmal völlig eindeutig. Wir bestrafen auch nur das Delikt an sich, also in diesem Fall „causing a collision“, also das Auslösen eines Unfalls. Und nicht die Folgen des Crashs. Dass Verstappen ausschied, ist natürlich bitter für Red Bull. Keine Frage, aber auch da sind die Regeln klar. Hätte Verstappen weiterfahren können, wäre Hamilton nur mit fünf Strafsekunden belegt worden.“
Sollte Red Bull wider Erwarten neues Material vorlegen können, um Hamilton eine Absicht zu beweisen, sieht die Sachlage natürlich anders aus. „Dann wird der Fall neu beurteilt. Exakt die vier Kommissare müssten noch einmal ein Meeting abhalten, oder ihre Zuständigkeit an die nächsten vier, zum Beispiel in Ungarn, abtreten. Prinzipiell kann völlig neu geurteilt werden, auch mit einer geringeren Strafe gegen Hamilton“, so Jobst. Aber auch mit einer Sperre fürs nächste Rennen.