Es ist eine kleine Revolution in der Formel 1: Zum ersten Mal in 71 Weltmeisterschafts-Jahren wird in Silverstone die Startaufstellung für den Grand Prix in einem Mini-Rennen ausgefahren. „Sprint“ heißt das neue Format, es geht über 100 Kilometer, 17 Runden in Silverstone – das ist ein Drittel einer ursprünglichen Grand-Prix-Distanz. Ein Rennen ohne Boxenstopps, ohne Reifenwechsel, ohne große Taktikspielchen – die Pole-Position soll sich nur aus Rad-an-Rad-Duellen ergeben.
1. Was ist der Hintergrund?
Das neue Format soll für die Fans neue Spannung bringen – und außerdem jeden Tag des einzelnen Events aufwerten. „Jeden Tag ein Highlight“, sagt Formel-1-Sportchef Ross Brawn, einer der größten Verfechter der neuen Idee. Also Freitag das „normale“ Qualifying, in dem die Startaufstellung für den Sprint ermittelt wird, Samstag der Sprint selbst, am Sonntag dann wie gewohnt der Grand Prix. Rechteinhaber Liberty Media verspricht sich davon auch neue Einnahme-Möglichkeiten für die Veranstalter. Die britischen Fans, trotz Covid-19 in voller Zahl zugelassen, scheinen die Idee zu mögen: Der Grand Prix ist ausverkauft, das heißt mehr als 300 000 Zuschauer für das komplette Wochenende.
2. Wo liegen die Tücken?
Den Teams bleibt nur noch die Zeit zwischen dem freien Training und dem Qualifying am Freitag für die Vorbereitung – danach gelten Parc Fermé Bedingungen. Das heißt, an den Autos darf wenig verändert werden. Für Ross Brawn ein gewolltes Szenario: „Dadurch werden einige mal bei der Abstimmung daneben greifen – das bringt Überraschungen und neue Spannung.“ Gerade bei den Top-Teams ist man darüber freilich weniger begeistert. Ob die Sprintrennen an sich wirklich die erhoffte zusätzliche Action bringen, ist die zweite Frage. Brawn sagt ja: „Das wird Rennsport wie früher. Keine Boxenstopps, kein Kommandostand, der mitredet, nur 40 Kilogramm Sprit im Tank, Vollgas von der ersten Runde an. Die Fahrer sind auf sich allein gestellt.“ Weltmeister Lewis Hamilton ist skeptisch: „Da wird niemand allzu viel riskieren wollen, um sich nicht um seine Chancen für den Sonntag zu bringen. Ich fürchte, das wird eine ziemliche Prozession, in der alle nur hintereinander her fahren.“
3. Wie wirken sich die Sprints auf die Statistik aus?
Die Pole-Position bekommt der Sieger des Sprints zugeschrieben, also der, der beim Start für den Grand Prix auch tatsächlich vorne steht. Der Sieger der Sprint-Qualifyings bekommt außerdem drei, der Zweitplatzierte zwei und der Drittplatzierte einen WM-Punkt. Eine echte Siegerehrung mit Podium wird es nicht geben, dafür aber die ganz früher einmal üblichen Siegerkränze für die drei Erstplatzierten – plus einer Ehrenrunde um die Strecke.
4. Wie oft sollen diese Sprints stattfinden?
Für 2021 sind drei geplant: Nach Silverstone noch beim Grand Prix von Italien in Monza Anfang September und beim Brasilien-Grand Prix in Interlagos im November. Ob der allerdings Corona-bedingt wirklich stattfindet, ist unsicher. Möglich wäre auch ein Ausweichen auf den US-Grand-Prix in Austin.
5. Wie geht es weiter?
Nach der Saison wollen alle Beteiligten, F1, FIA und die Teams, Bilanz ziehen und entscheiden, ob und wie man mit den Sprints in Zukunft weiter macht. Für alle Rennwochenenden sollen sie allerdings auf keinen Fall eingeführt werden, es soll ein spezielles Highlight bleiben. Lewis Hamilton findet das gut, wünscht sich sogar noch mehr Flexibilität: „ Ich bin der Meinung, wir müssen uns für verschiedene Rennen auch verschiedene Formate überlegen. Wenn ich mir zum Beispiel Monaco anschaue, dann ist das zwar alles sehr toll, aber die Rennen sind doch eher langweilig.“
6. Wer trägt die Kosten?
Das zusätzliche Rennen bringt für die Teams auch zusätzliche Kosten – angesichts des 2021 erstmals geltenden Budget-Deckels von 145 Millionen Dollar durchaus ein Thema. Deshalb dürfen sie nun ein bisschen mehr ausgeben – 150 000 Dollar für jeden der drei geplanten Sprints Unfallschäden übernimmt bis zu 83.000 Euro die FIA. Kosten, die bei Crashs darüber hinaus entstehen, müssen zwar die Teams selber begleichen, allerdings zählt auch das dann nicht zur Budgetobergrenze.
Karin Sturm