Das Duell zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton geht in die nächste Runde. In Silverstone trifft ein Niederländer in Topform auf einen Lokalmatador, der nach sieben WM-Titeln noch lange nicht genug hat. Auch für Red Bull ist es ein Heimrennen. Das Team ist in Milton Keynes zuhause. Viel näher geht nicht - ein F1-Bolide würde die Strecke bis Silverstone in weniger als zehn Minuten schaffen.
Neben den beiden Seriensiegern konnte sich in dieser Saison einzig Verstappens Teamkollege Sergio Perez über einen Sieg freuen. In der Fahrerwertung liegt der Mexikaner mit Respektabstand (104 Punkte) hinter Hamilton (150) und Verstappen (182). Die anderen Teams spielen in der Entscheidung kaum eine Rolle. Das neue Sprintformat am Samstag Abend (17.30 Uhr) soll daher für mehr Spannung sorgen.
Fahrer, Teams und Experten stehen dem neuen Quali-Format eher kritisch gegenüber. Für Gary Anderson, ehemaliger technischer Direktor der beiden Ex-Rennställe Jordan und Jaguar, ist die Formel 1 "komplett durchgeknallt". Mercedes-Pilot Valtteri Bottas hingegen freut sich auf das Experiment: "Es wird schön, etwas anderes auszuprobieren, und zu sehen, ob es neuen Schwung ins Wochenende bringt." Mehr Rennen bringen mehr Action und Spannung, so der Finne. Für das Wochenende werden bis zu 140.000 Fans erwartet. Trotz der hohen Inzidenzen aufgrund der Delta-Variante des Coronavirus wurden die meisten Beschränkungen seitens der britischen Regierung aufgehoben.
Damit wird Silverstone zum doppelten Feldversuch. Lewis Hamilton ist hin- und hergerissen. Er freut sich auf die vielen Fans, ist aber in Sorge angesichts des Infektionsgeschehen. Die britische Regierung untersucht wie bereits bei der Fußball-EM in London und dem Tennis-Turnier in Wimbledon, wie sich das Risiko einer Übertragung von Covid-19 bei großen Events verhält.
Das Mercedes-Team weist in einer Presseaussendung darauf hin, dass ein Fehler am Setup für das ganze Rennwochenende entscheidend sein könnte. "Es lastet ein deutlicher Druck darauf, das Setup sowohl für wenig als auch für viel Benzin zu finden. Gleichzeitig muss auch die Kühlung für die Power Unit und die Bremsen berücksichtigt werden." Das neue Format sei für alle Teams eine Challenge, meint Mercedes-Boss Toto Wolff.
Für Red Bull braucht es keine Sprintrennen. "Ich mag es sehr, ein anderthalbstündiges Rennen zu fahren, denn wenn wir gute Autos haben, können wir ein enges Rennen fahren und natürlich können mehr Teams um den Sieg kämpfen", sagt Max Verstappen. Für seinen Teamkollegen Sergio Perez ist das Vorhaben riskant. Man müsse das ganze Programm nicht so durcheinanderbringen.
Auch die beiden Ferrari-Piloten Charles Leclerc und Carlos Sainz zweifeln an der Relevanz. Das Hauptrennen müsse das Highlight bleiben. Es sollte bei einem Grand Prix nur einen Sieger und nicht zwei geben.
Deutliche Worte findet der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel: "Mir gefällt [der Vorschlag] nicht. Warum sollte es ein Vorfinale vor einem Finale geben? Was ist der Gedanke dahinter? Das verstehe ich nicht. [...] Sollte es ein Rennen am Samstag geben, dann werde ich daran teilnehmen müssen, [...] aber aus meiner Sicht ergibt das keinen Sinn." Otmar Szafnauer, Vettels Teamchef bei AstonMartin,pflichtet ihm bei. "Wir dürfen das Hauptrennen nicht opfern. Deshalb brauchen wir ein schlüssiges Konzept."
Der Williams-Pilot George Russel ist bisher noch punktelos. Er glaubt nicht, dass die Neuerungen zu seinen Gunsten ausfallen werden. "Normalerweise sind wir in der Qualifikation ein bisschen besser als im Rennen", weiß der 23-Jährige. Aber man müsse der Sache eine Chance geben. Es sei für alle neu.
Außerhalb der Formel 1 sind die Sprintrennen bisher gut angekommen. Der deutsche TV-Experte Timo Glock ist sehr gespannt auf die Neuerungen. "Mehr Rennen heißt mehr Action und mehr Überholmanöver", meinte er im Gespräch mit "Sky". Er kennt das Format bereits aus seiner Zeit in der DTM. Auch in der Formel 2, dem Unterbau der Formel 1, werden regelmäßig Sprintrennen ausgetragen.
1950 fand in Silverstone das erste offizielle Formel-1-Rennen statt. Die zündende Idee dazu hatte der Engländer Maurice Geoghegan. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde aus dem ehemaligen Militärflughafen ein El Dorado des Motorsports. Irgendwie fühlt sich hier jedes Team zuhause. Sieben der zehn Rennställe sind in Großbritannien ansässig. An einem Heimsieg führt kein Weg vorbei.
Was sonst noch geschah? Lewis Hamilton nimmt das Diversitätsproblem in der Formel 1 selbst in die Hand. Am Dienstag veröffentlichte dieser eine Studie mit zehn Handlungsanweisungen. Hamilton ist der einzige schwarze Pilot in der höchsten Motorsportklasse. Andere Sorgen hat hingegen Lando Norris. Ihm wurde seine Uhr gestohlen. Der Brite bleib bei dem Vorfall zum Glück unverletzt.
Lukas Bayer