Nicht zum ersten Mal möchte die Formel 1 durch eine Regeländerung für mehr Spannung sorgen. Anstatt der üblichen Qualifyings soll die Startaufstellung bei drei Grands Prix im Sprint ausgefahren werden. Premiere ist in Silverstone vom 16. bis 18. Juli.
Üblicherweise gibt es an einem Rennwochende drei freie Trainings, ein Qualifying am Samstag und das Rennen am Sonntag. In Silverstone findet diesmal am Freitag anstatt des zweiten freien Trainings ein Qualifying für das Sprintrennen statt. Dieses folgt am Samstag (17.30 Uhr) auf das zweite freie Training. Rennbeginn ist am Sonntag um 16 Uhr.
Gefahren wird auf 100 Kilometern respektive 17 Runden ohne strategische Hilfe vom Kommandostand und Pflicht-Boxenstops. Der Schnellste des Sprints erhält drei WM-Punkte, der Zweite zwei und der Dritte einen. Sprintrennen gibt es in der Formel 2 schon länger. 2017 gewann der heutige Ferrari-Pilot Charles Leclerc ein solches vom 14. Platz aus - trotz eines versehentlichen Boxenstops.
Das neue Format bringt auch Änderungen im Reglement mit sich. Im ersten freien Training dürfen nur zwei Reifensätze verwendet werden. Das anschließende Qualifying muss mit der weichsten Mischung, dem roten Soft-Reifen, gefahren werden. Neu ist auch, dass Fahrer innerhalb der Top 10 die Reifenmischung am Renntag frei wählen dürfen. Bisher mussten die zehn Vorderstplatzierten der Startaufstellung den Satz verwenden, mit dem in Q2 die beste Rundenzeit gelungen ist. Bei Regen oder feuchten Bedingungen ist das Reglement für die Reifen noch einmal anders.
Das zweite Sprintrennen soll in Europa stattfinden, ein drittes in Übersee. Heiße Kandidaten sind der Italien-GP in Monza im September und Brasilien im November.
Offene Fragen und Kritik
Bis zur Premiere gibt es noch viele offene Fragen. Wenn ein Fahrer das Sprintrennen nicht beendet, muss er dann das Rennen von letzter Position aus starten? Was, wenn es mehrere Ausfälle gibt? Auch die Kosten sind ein Faktor. In der laufenden Saison erhalten die Teams rund 500.000 US-Dollar zusätzlich. Bei Schäden gibt es einen Anspruch auf weitere 50.000 Dollar, auch eine Versicherungslösung ist angedacht. Ein Schaden im Sprint soll den Fahrer nicht zum Zuseher am Renntag machen. Beschädigte Teile dürfen allerdings nur durch baugleiche Elemente ersetzt werden.
Kritik kommt von einem Insider aus der Branche. Für Gary Anderson, ehemaliger technischer Direktor der beiden Ex-Rennställe Jordan und Jaguar, ist die Formal 1 "komplett durchgeknallt". Es sei nicht das erste vieler verrückter Experimente: beispielsweise ein zweitägiges Qualifying mit unterschiedlichen Tankfüllungen oder ein Eliminations-Rennen, bei dem an bestimmten Punkten der jeweils letzte Fahrer aus dem Rennen genommen werden sollte.
Anderson sieht in der Vergabe zusätzlicher Punkte die Spannung schwinden. Der Weltmeister stünde dadurch noch früher fest, da meist jene vorne stehen, die auch Qualifying und Rennen dominieren. Schwächere Teams werden somit gleich doppelt benachteiligt. Einerseits gibt es kaum mehr eine Chance auf einen Lucky-Punch mit einer schnellen Qualifying-Runde, andererseits bedeutet das Sprintrennen mehr Risiko und kaum tragbare Kosten im Falle eines Schadens.
Der Grand Prix von Silverstone soll wie jener in Spielberg ohne Zuschauerbeschränkungen stattfinden. Dank einer Sondergenehmigung der britischen Regierung können bis zu 140.000 Fans zusehen. Ob die Ränge voll sein werden, ist aber fraglich. Der Veranstalter rechnet mit einem "vollen Haus", gleichzeitig breitet sich aber die Delta-Variante des Coronavirus immer weiter aus. Beim Grand Prix von Österreich wurden weniger als 70 Prozent der Karten verkauft.
Lukas Bayer