Der Tenor vor dem Beginn der Formel-1-Saison war, dass sich die Kräfteverhältnisse aufgrund des eingefrorenen Reglements nicht wesentlich ändern. Doch was sich bei den Tests schon andeutete, wird immer mehr Gewissheit: Eine auf den ersten Blick recht kleine Veränderung im Aerodynamik-Bereich hat große Auswirkungen. Um die Autos einzubremsen, wurde durch Veränderungen an Unterboden und Diffusor der Abtrieb um zehn Prozent reduziert. Auch auf Wunsch von Pirelli, das aus Sicherheitsgründen nicht noch höhere Kurvengeschwindigkeiten wollte.
„Aber kaum war der Beschluss durch, hat Pirelli dann plötzlich trotzdem neue Reifen entwickelt“, sagt Aston-Martin-Besitzer Lawrence Stroll. „Schon etwas merkwürdig, oder?“ Das Problem: Die neue Regel scheint nur einem Bautyp in die Karten zu spielen. Zu den Hauptbetroffenen scheinen Aston Martin und der „große Bruder“ Mercedes zu gehören. Das Problem: Beide bauen Autos mit extrem flachem Anstellwinkel – der Gegenpol im Feld ist Red Bull. Was das heißt? Bei den „Silberpfeilen“ liegen Front und Heck praktisch auf gleicher Höhe, wohingegen der Red Bull sein „Hinterteil“ sichtbar nach oben in die Luft streckt.
Red Bull ist weniger gebremst als die Mercedes-Teams
Der Effekt? Die Zahlen des Qualifyings in Bahrain sprachen eine deutliche Sprache. Aston Martin verlor gegenüber dem Vorjahr 2,279 Sekunden in der schnellsten Runde, Mercedes büßte 2,121 Sekunden ein. Zum Vergleich: Red Bull war hingegen nur um 1,319 Sekunden langsamer als 2020. Weltmeister Lewis Hamilton hat schon in Bahrain deutlich gemacht, worum es geht: „Natürlich war das ein Versuch, uns einzubremsen.“ Red Bull scheint auch der große Gewinner der Änderungen zu sein und zumindest auf Augenhöhe mit Mercedes, wenn nicht einen kleinen Schritt voraus zu sein.
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Den Nachteil wieder wettzumachen, ist nicht einfach: Um das Fahrzeugkonzept grundlegend zu ändern, bräuchte man neue Aufhängungen. Doch die sind Teil des „eingefrorenen“ Reglements. Mercedes-Teamchef Toto Wolff drückte das in Bahrain so aus: „Unsere Analyse hat erwiesen, dass hoch angestellte Autos weniger Abtrieb verlieren. Wir können aber jetzt nicht einfach unser Auto hinten höher stellen und alles ist wieder gut. Denn wir können unsere Hinterradaufhängung nicht so einstellen, wie das beispielsweise Red Bull Racing macht, weil unser Rennwagen einem anderen Konzept folgt.“
Also muss man andere Lösungen finden. Auch das ist nicht einfach – durch eingeführte Kostenbeschränkungen. Mercedes-Chefingenieur Andrew Shovlin: „Normalerweise würden wir jetzt die Arbeit im Windkanal hochfahren und nach mehr Abtrieb suchen, während die Kollegen der Motorenabteilung einige Zusatz-PS aus dem Motor kitzeln würden. Aber so geht das 2021 nicht. Unsere Zeit im Windkanal ist begrenzt, die Arbeit auf den Motorprüfständen limitiert. Wir haben nur einen Evolutionsschritt zur Verfügung statt zuvor drei.“
Soll heißen: Es dürfte wohl noch ein wenig länger spannend bleiben an der Spitze. Das wiederum mag weder Mercedes noch Aston Martin freuen, die Fans hingegen schon.
Karin Sturm