Den Schatten dieser Tragödie werden Imola und die Formel 1 wohl nie mehr los. Wenn die Rennserie am Wochenende nach 14 Jahren Pause in das Autodromo Enzo e Dino Ferrari zurückkehrt, wird die quälende Erinnerung an das schwarze Wochenende am 30. April und 1. Mai 1994 mit dem Tod des Österreichers Roland Ratzenberger und von Ayrton Senna wieder wach.
Emotional dürfte der Kurzbesuch in der Emilia Romagna auch für WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton werden, für den die Ikone Senna Kindheitsheld und Inspiration war. "Entweder Superman oder Ayrton - einer von beiden wollte ich sein", sagte der Weltmeister kürzlich.
Auf der Piazza Ayrton Senna da Silva werden die Piloten ins Fahrerlager rollen, im Park nahe der Rennstrecke ist eine Senna-Statue über die Jahre zur blumengeschmückten Pilgerstätte geworden. Der Schock des 1. Mai 1994, als der Brasilianer in der Vollgaskurve Tamburello im Williams-Rennwagen sein Leben ließ, ist in Imola noch immer spürbar. Das Strecken-Museum nährt den Mythos mit regelmäßigen Senna-Ausstellungen.
Rückkehr an den Schicksalsort
Erstmals seit 2006 stellt sich die Formel 1 wieder am Ort des Geschehens diesen Erinnerungen. Weil viele andere Veranstalter wegen der Corona-Pandemie ihre Rennen absagen mussten, bekommt Imola eine neue Chance. Angesichts der mahnenden Ereignisse von 1994 ist es durchaus erstaunlich, dass die Formel 1 ein Experiment mit einem verkürzten Rennwochenende wagt.
Die Fahrer müssen komplett auf die drei Trainingsstunden am Freitag verzichten und nach einer nur 90-minütigen Übungseinheit am Samstag direkt die Qualifikation fahren. Bis auf den Finnen Kimi Räikkönen ist keiner der Piloten je in einem Formel-1-Auto in Imola gestartet, seit dem letzten Grand Prix hier wurde die Strecke zudem umgebaut.
Für Piloten und Ingenieure wird das Kurz-Gastspiel zu einer Fahrt ins Ungewisse - fast ohne Erfahrungswerte und mit kaum Zeit zur Abstimmung der sensiblen Boliden. "Wir gehen von einem arbeitsreichen Training aus", sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff, der mit seinem Rennstall am Sonntag zum siebenten Mal in Serie Konstrukteursweltmeister werden kann.
Aus der Vergangenheit gelernt
Die Formel 1 hat viel aus der Vergangenheit gelernt, der Schrecken von Imola 1994 wirkte als Katalysator für viele Veränderungen. Der Tod des Salzburgers Ratzenberger im Zeittraining am Samstag durch den Anprall an eine Betonmauer mit 300 km/h, nachdem der Frontflügel an seinem Simtek-Ford gebrochen war, ebnete den Weg für die Entwicklung der Kopf- und Nackenstütze. Sennas Horror-Unfall mit mehr als 200 km/h verlieh den Bemühungen um sicherere Autos und Rennstrecken Nachdruck. Crashtests wurden verschärft, die Technik eingebremst, zuletzt kam der lange umstrittene Cockpitschutz Halo dazu. Auf den Pisten wurden Auslaufzonen erweitert, Fangzäune und Barrieren modernisiert.
Auch der einstige Risiko-Kurs Imola ist inzwischen durch Schikanen deutlich entschärft, nötigt den Piloten aber noch immer Respekt ab. Ferrari-Pilot Charles Leclerc, der in Nachwuchsserien bereits in Imola fuhr, schwärmte jedoch: "Eine Strecke, die ich liebe. Ein Kurs, den die meisten Fahrer lieben werden."