Ein Problem kommt selten allein – für Sebastian Vettel gilt das im Moment ganz besonders: Die Gegenwart bei Ferrari sieht für ihn nicht gerade rosig aus, der Blick in die Zukunft ist ebenfalls schwierig. Grundsätzlich kranken die Erfolgsaussichten für 2020 ja schon daran, dass der Ferrari mit der Spitze nicht wirklich mithalten kann. Jetzt sollen vorgezogene Aero-Updates beim zweiten Rennen in Spielberg ein wenig Abhilfe schaffen. Aber selbst Ferrari-Liebling Charles Leclerc scheint ja so seine Zweifel zu haben. „Wenn die nicht funktionieren, dann sieht es für das ganze Jahr schlecht aus“, baute der Monegasse schon mal vor.
Für Vettel kommt dazu: Er hat offenbar das Vertrauen in Ferrari ziemlich verloren. Seinen Dreher am Auftaktwochenende will er nicht entschuldigen: „Das darf mir nicht passieren, keine Frage. Das hat mich auch sehr geärgert.“ Aber er sagt auch immer wieder: Sein Auto, in dem er sich da am Freitag noch ziemlich wohl gefühlt hatte, sei im Laufe des Wochenendes aus unerfindlichen Gründen immer schlechter geworden, fast unfahrbar. Was ja auch Inboard-Videos bestätigen. Man habe da bei der Analyse zwar zwei, drei Dinge gefunden – aber es sei schwer zu sagen, welche Rolle die wirklich gespielt hätten. Erste Anzeichen vom Freitag: Weg sind die Probleme nicht.
Zumindest der Gedanke, ob da nicht mehr alles mit rechten Dingen zugehe, scheint in seinen Kopf zu kriechen. Ob zu Recht oder zu Unrecht. Normalerweise ist es natürlich unwahrscheinlich, dass ein Team einen Fahrer absichtlich benachteiligt. Andererseits wissen Insider von Fällen in zwei Teams in den letzten Jahren, wo so etwas tatsächlich passierte – um eigene politische Entscheidungen in Fahrerfragen besser rechtfertigen zu können.
Gleich zwei Fahrern passierte das beim damaligen Sauber-Team, heute Alfa Romeo. Nachdem dort die schwedischen Unterstützer von Marcus Ericsson aus der Tetra-Pack-Dynastie eingestiegen waren und das Team aus größten finanziellen Schwierigkeiten gerettet hatten, klagte Ericssons brasilianischer Teamkollege Felipe Nasr, normalerweise immer der Schnellere, mehr als einmal über ein von einem Tag auf den anderen völlig verändertes Auto. Ein damals beteiligter Mechaniker gab zu, dass manipuliert worden sei. Pascal Wehrlein ging es ein Jahr später nicht viel besser. Als Teamchefin Monisha Kaltenborn, in die Vorgänge nicht eingeweiht, darauf bestand, das Wehrlein-Auto einmal in allen Details zu vermessen, bekam sie drei Tage später die Kündigung.
Sollte Vettels Verdacht sich verfestigen, dürfte er gar nicht mehr in den Ferrari klettern.
Karin Sturm