Die Ankündigung im Mai, dass Sebastian Vettel und Ferrari nach diesem Jahr getrennte Wege gehen, hat nicht wirklich überrascht. Wohl aber der Zeitpunkt. Die Saison hatte damals bekanntlich noch gar nicht begonnen. Formel-1-Fans rund um den Globus und Beobachter rätseln seitdem darüber, welchen Zug der Ex-Champion nun macht. Seit 2015 fährt Vettel für Ferrari, feierte in dieser Zeit 14-Grand-Prix-Siege. Einem fünften WM-Titel kam er aber nie nahe genug.
Vettel zu Mercedes, Hamilton zu Ferrari?
Einen Wechsel zu Mercedes hat Toto Wolff, der Chef des deutsch-britischen Rennstalls, selbst als nicht ausgeschlossen bezeichnet. Im Poker um einen Platz beim dominierenden Team der Gegenwart sei Vettel aber nur Außenseiter. Die Explosivität einer Paarung Lewis Hamilton/Sebastian Vettel wäre für die Silberpfeile wohl zu viel, dazu kommt ein Versprechen für die Zukunft im eigenen Haus: Junior-Fahrer George Russell, aktuell bei Williams geparkt, hat in Wolffs Augen eine Chance verdient. Der 22-jährige Brite war auch Sieger der virtuellen Grand-Prix-Serie während dem Corona-Lockdown.
Sollte Vettel tatsächlich zu Mercedes gehen, hieße das demzufolge eher, dass Hamilton dort Abschied nimmt. Das ist zwar möglich, da auch der Vertrag des sechsfachen Champions Ende des Jahres ausläuft, aber nicht sonderlich realistisch, wäre für ihn doch nur Ferrari als Destination reizvoll genug. Ob der Brite bei der Scuderia ähnlich große Freiheiten wie bei Mercedes hätte, das ihm die ideale Plattform für seinen Jetset-Lifestyle und sein politisch-soziales Engagement bietet, ist fraglich. Hamilton weiß, was er an Mercedes hat - das gilt auch umgekehrt.
Bei Red Bull sind für Vettel die Türen zu
Bei seiner alten Liebe Red Bull ist Vettel die Türe verschlossen. Ein zweiter Topfahrer, noch dazu jenseits der 30 und nicht gerade preiswert, passt nicht ins Konzept des Projekts von Firmengründer Dietrich Mateschitz. Der Niederländer Max Verstappen ist die klare Nummer eins, der Halb-Thailänder Alexander Albon soll nach durchaus starken Szenen 2019 sein Potenzial beweisen dürfen.
Möglich erscheint Renault, wo nach dem Wechsel von Aussie-Strahlemann Daniel Ricciardo zu McLaren eine Stelle frei wird. Doch wurde von der Konzernspitze in Frankreich ein Sparprogramm erlassen, das finanzielle Sprünge schwierig macht. Die ab 2021 in der Formel 1 geltende Kostenobergrenze wäre rein auf dem Papier kein Problem, da die Fahrer-Gagen von der Regelung ausgenommen sind. Angeblich spitzt zudem Fernando Alonso auf ein Formel-1-Comeback mit Renault-Ticket.
Damon Hill: "Vettels Situation ist alarmierend"
Racing Point, das zum Aston-Martin-Werksteam mutiert, wäre eine weitere Andockstation. Die englische Nobelmarke könnte aus PR-Gründen ein Zugpferd wie Vettel zum Start gut brauchen. Mercedes-Boss Wolff ist bei Aston Martin als Investor an Bord. Ob es sich Vettel antun will, möglicherweise lange im Mittelfeld mitzufahren, kann bezweifelt werden. Eine offene Türe könnte sich auch noch mit dem zweiten McLaren-Cockpit neben Ricciardo ergeben, der bereits während Red-Bull-Zeiten ein Jahr Teamkollege des Deutschen war.
Wie man sieht, sind die Aussichten also nicht allzu verlockend. "Vettels Situation ist alarmierend", meinte unlängst Ex-Weltmeister Damon Hill. "Wenn man in einem Sport an der Spitze steht, ist es besonders schwierig, weil es nur noch abwärts gehen kann." Mark Webber, wie Ricciardo ein Ex-Stallkollege Vettels, spekuliert daher mit einem Abschied auf Zeit. "Ich denke, er wird ein Jahr eine Auszeit nehmen", sagte der Australier. Nachher könne sich Vettel neu erfinden, "wenn er die richtige Atmosphäre hat".
Vettel: "Die Strecke in Österreich bietet alles, was man braucht"
Vettel selbst meinte noch im vergangenen November, dass er auch nach dem Auslaufen seines Vertrags weiterfahren werde. Mittlerweile aber haben Ferraris klares Bekenntnis zu Charles Leclerc und die Covid-19-Pandemie die Parameter doch gewaltig verschoben.
Wenigstens die nahe Zukunft ist klar, feiert der Heppenheimer doch am Freitag in Spielberg seinen 33. Geburtstag. Die strengen Corona-Auflagen bei den Grands Prix in der Steiermark kommen ihm da gar nicht so in die Quere, denn als zügelloses Party-Biest war Vettel nie bekannt. Sein Fokus liegt vielmehr auf dem Rennfahren. "Die Strecke in Österreich ist auch toll und bietet alles, was man braucht. Es ist gut, dass es wieder losgeht", sagte er vor der Reise ins Murtal.