Die Formel 1 befindet sich in einem Zwangsurlaub. Unter die Langschläfer ist Sebastian Vettel trotzdem nicht gegangen: Eine von Ferrari organisierte Video-Pressekonferenz aus seinem Zuhause in der Schweiz begann schon früh um halb neun. Warum so zeitig? „Ich bin doch schon zwei Stunden auf, bei drei kleinen Kindern ist das eben so“, lachte der viermalige Weltmeister, „und außerdem möchte ich ja nachher noch was vom Rest des Tages haben.“ Auch wenn er die Formel 1, sein Auto, das Fahren, schon vermisst – wirklich langweilig wird es Vettel nämlich noch nicht. Die Kinder beschäftigen ihn genügend, auch wenn sie für echtes „Homeschooling“ noch zu jung sind, im Haus und im Garten „ist so einiges zu tun, was immer liegen geblieben ist“, er hat für sich einen umfangreichen Trainingsplan aufgestellt, „zum Glück kann ich das ja alles hier bei mir machen, lange Rad- oder Mountainbike-Touren, und ich habe auch praktisch alles an Geräten im Haus, was ich brauche.“
Seit ein paar Tagen hat er auch einen Simulator für e-Racing bei sich stehen, „aber mehr auf Drängen von engen Freunden und Fahrerkollegen, die meinten, ich müsse das doch auch unbedingt einmal ausprobieren.“ Dass das aber so richtig sein Ding werden könnte, glaubt er eher nicht: „Ich strebe sicher keine Karriere in diesem Bereich an.“
Wann es mit der echten Formel 1 wieder weitergehen könnte, da möchte er sich nicht festlegen: „Natürlich wünschen wir uns alle, dass es so schnell wie möglich wieder losgeht. Aber im Moment kann niemand wirklich sagen, was wir uns von dieser Saison noch erhoffen können, ob sie sich vielleicht noch bis ins nächste Jahr hinzieht. Es gibt viele Ideen und Optionen, aber wir müssen einfach Geduld haben.“ Ob das auch die Wertigkeit einer WM beeinflussen würde? „Je weniger Rennen, desto mehr zählt jedes einzelne. Aber am Ende würde sich auch da der Konstanteste durchsetzten.“
Verantwortung für viele Menschen
Auch unter den Fahrern habe man recht ausführlich darüber diskutiert, wie es denn weitergehen solle. „Es ist eine sehr schwierige Entscheidung, einerseits muss man die wirtschaftlichen Aspekte des gesamten Sports im Auge haben, dann gibt es die Verantwortung für die Leute im Fahrerlager, in den Fabriken, und am wichtigsten natürlich auch die für die Gesundheit der Fans. Unser Sport findet zwar draußen statt, aber trotzdem kommen da normalerweise natürlich sehr viele Leute zusammen. Es gibt, wie gesagt, einige Optionen, mit Fans, ohne Fans... Einerseits fährt niemand gerne vor leeren Tribünen, solche Geisterrennen wären sicherlich ein komisches Gefühl, aber wenn es andererseits die einzige Chance ist, deutlich früher anzufangen?“ Natürlich wünsche sich jeder, „so schnell wie möglich zur Normalität zurückkehren zu können, nicht nur um der Formel 1 willen, sondern insgesamt – aber im Moment ist das beste Rezept wohl einfach Geduld. Auch wenn es wehtut – aber das geht ja vielen in vielen Bereichen derzeit so. Die ultimative Antwort habe ich auch nicht...“
Langsamer allein reicht nicht
Dass jetzt aus Kostengründen die neuen Regeln erst 2022 kommen, sieht er mit gemischten Gefühlen: „Einerseits habe ich mich darauf gefreut, die neuen Autos zu fahren. Das dauert jetzt noch ein Jahr länger, das ist schade. Sie sollen ja zwar langsamer sein, dafür aber das Racing besser. Wenn sich freilich herausstellen sollte, dass sich am Racing trotzdem nichts ändert und sie nur langsamer sind, dann ist es vielleicht gar nicht so schlecht, die alten noch ein weiteres Jahr zu haben. Aber natürlich muss jeder verstehen, warum wir im Moment diese Änderung nach hinten schieben müssen.“
Ob angesichts der Lage auch die großen Teams wie eben Ferrari in Sachen Budget Cap ein bisschen mehr nachgeben müsste? Da weicht Vettel als Ferrari-Angestellter natürlich ein bisschen aus, betont, er könne nur für sich selbst sprechen: „Die momentane Situation hat natürlich einen großen wirtschaftlichen Einfluss auf die Teams, spätestens für nächstes Jahr. Deswegen gibt es da ja jetzt sehr viele Gespräche. Es war ja schon mit den neuen Regeln das Ziel, die Teams wieder dichter zusammenzubringen. Wenn dieser Trend jetzt durch die Umstände verstärkt würde und die Rennen dadurch spannender würden, das wäre das sicher gut. Aber um das wirklich beurteilen zu können, müsste es erst einmal konkrete Ergebnisse und Vereinbarungen geben. Fakt ist, dass die kleinen Teams sicher eher in ihrer Existenz bedroht sind als die Großen.“
Karin Sturm