Zehn Jahre war Lewis Hamilton alt, als er sich bei der erstbesten sich bietenden Gelegenheit schon als kommender Formel-1-Fahrer präsentierte. Als kleiner Kart-Meister ging er 1995 auf Ron Dennis, dem damaligen Chef des McLaren-Rennstalls, zu und sagte selbstbewusst und völlig unverblümt: „Hi, ich bin Lewis Hamilton und will eines ihrer Autos fahren und Weltmeister werden.“
Mut hat er schon immer gehabt, schon als kleiner Bub. Und diesen Mut besitzt er noch heute. Nicht nur im Rennauto, sondern in fast allen Lebenssituationen. Der Formel-1-Weltmeister ist so ziemlich der einzige Pilot in höchsten Liga des Motorsports, der sich kein Blatt vor dem Mund nimmt. Er kritisiert alles und jeden. Er hat eine Meinung zum Klimawandel, so seine Ansichten über einen veganen Lebensstil und natürlich auch über die Corona-Pandemie, die die Menschen zu Einschnitten im täglichen Leben zwingt. Bestenfalls ein Max Verstappen äußert sich ähnlich offen, ohne Rücksicht auf Vorgaben der PR- und Marketingabteilung.
So war Lewis Hamilton der erste Sportler, der die Durchführung des Großen Preises von Australien an den Pranger stellte. Seine Aussagen (ich bin schockiert, dass wir überhaupt hier sind) ließen erst die Stimmung kippen. Für ihn reagiert Geld die Welt. Und dabei ist er stets besorgt um die Gesundheit aller Fans. Bitte passt auf. Seine Worte in Melbourne war gut und ehrlich.
Mit seinen Meinungen kann er Menschen bewegen. Und er hatte das Glück bei Mercedes mit Niki Lauda und Toto Wolff zwei Verbündete gefunden zu haben, die ihn freien Lauf ließen, ihn nicht mahnten, stets nur auf den sportlichen Endzweck seines Arbeitgebers Mercedes fokussiert zu bleiben. Aber die beiden Österreicher haben ihm sogar, mitten in der Saison, mitten im WM-Kampf, erlaubt, dass er seine Ernährung auf vegan umstellt. Was manchmal ja nicht ganz problemlos verlaufen kann.
Hamilton, ein Sportler der polarisiert, mit seinen Meinungen, Einstellungen und auch mit seinem Hang zu exzentrischer Mode. Natürlich erntet er oft und oft auch Kritik. Vor allem seine Bekundungen von einem klimaneutralen Leben erschien vielen lächerlich und widersprüchlich. Ist er doch selbst Jet-Setter und in einer Hybrid-Serie verwurzelt. Wenn er als Lichtgestalt der Autoindustrie über Emissionen fabuliert, wird er immer angezweifelt werden. Damit muss er leben. Aber er hat immerhin vor einem Jahr seinen Jet verkauft, verbietet in seinem Umfeld Plastik und reduziert in der rennfreien Zeit die Flüge auf ein Minimum.
Es sind auch nicht nur die tief greifenden Worte und Sätze, die Hamilton zu einem Anführer und Meinungsbildner machen. Es sind auch Taten, die wirken. Wie er vor dem Großen Preis von Australien die Verwüstungen des Buschfeuers angeschaut hat und dabei Känguruh-Babys fütterte. Oder sich schrill und bunt mit Musikern und Modemachern umgibt. Ein Freigeist, wie ihn der Sport immer wieder braucht.