Die Formel 1 ist zuletzt vor über 50 Jahren erst im Mai in ihre Saison gestartet. Am 22. Mai 1966 heulten die Motoren in Monaco auf, Jackie Stewart feierte damals den Auftaktsieg. 54 Jahre später steuert die von der Coronavirus-Pandemie ausgebremste Königsklasse des Motorsports erneuert auf ein so spätes Datum hin.
"Ich glaube nicht, das jemand so eine Situation schon einmal erlebt hat", sagte Formel-1-Sportchef Ross Brawn über die Konfusion, mit der sich neben vielen anderen Sportarten auch die F1 auseinandersetzen muss. Australien? Abgesagt. Bahrain? Verschoben. Vietnam? Verschoben. China? Verschoben. Der einst auf 22 Grand Prix angewachsene Rennkalender ist angesichts der Pandemie geschrumpft.
18 Grand Prix sollen derzeit planmäßig stattfinden. Weniger Rennen wurden zuletzt nur 2009 gefahren, als 17 WM-Läufe eingeplant waren. Nach derzeitigem Stand soll die Saison auch erst Ende Mai beginnen. Das bedeutet, dass die Rennen in den Niederlanden am 3. Mai und Spanien am 10. Mai wackeln. Kein Wunder, werden in Europa doch Sperrzonen eingerichtet und Massenveranstaltungen zur Vorbeugung verboten.
Die Organisatoren des Comeback-Rennens in Zandvoort in den Niederlanden schrieben, dass sie mit dem Motorsport-Weltverband FIA und der Formel-1-Führung im Austausch über "mögliche Konsequenzen" für ihren Grand Prix stehen würden. Im Fall einer Verlegung würden die Tickets ihre Gültigkeit behalten, versuchten die Niederländer die Fans vorerst zu beruhigen.
Schwierige Situation
"Es ist ziemlich schwierig, die Situation wirklich vorherzusagen", meinte Formel-1-Boss Chase Carey über die vielen Neuigkeiten aus Politik und Medizin, die maßgeblich seien, wenn man über die Absage eines Grand Prix entscheiden müsse. Es geht dabei nicht zuletzt auch um Haftungsfragen - und damit ums Geld. Spricht sich - wie in China - die Regierung gegen ein Rennen aus, muss der Veranstalter nicht das üppige Ausrichtungsgeld an die Formel 1 entrichten.
In Melbourne gaben Formel 1, FIA und der lokale Organisator das Aus gemeinsam bekannt. Der Veranstalter wird auf jeden Fall die Kosten für die Tickets zurückerstatten. Carey und Co. hatten aber auch erst auf massiven Druck der Teams reagiert. Liberty Media, der US-Besitzer der Motorsport-Königsklasse, wird sein Premiumprodukt nun erst wieder frühestens Ende Mai präsentieren.
Der Grand Prix von Monaco ist für den 24. Mai angesetzt. Es könnte aber sogar sein, dass erst der Große Preis von Aserbaidschan am 7. Juni in Baku den Startschuss markiert. Der Österreich-GP in Spielberg ist für 5. Juli angesichts. Angesichts der Verzögerung durch den Coronavirus könnten die Teams ihre Sommerpause vorverlegen, die eigentlich zwischen Ungarn am 2. August und Belgien am 30. August vorgesehen war. In diese Phase könnten die verschobenen Grand Prix gelegt werden.
Menschen im Vordergrund
"Der Schutz der Menschen steht an erster Stelle", betonte FIA-Präsident Jean Todt Freitagnachmittag. Der Franzose hatte wie viele andere Verantwortliche lange zu der drohenden Rennabsage in Melbourne geschwiegen.
Lewis Hamilton hatte da schon längst klare Worte gefunden. Wie kein anderer Formel-1-Protagonist hatte sich der sechsfache Weltmeister in Australien öffentlich positioniert und sein Unverständnis über die geplante Rennfreigabe geäußert. "Schockierend" war eines der Worte, das der britische Mercedes-Pilot auf der Pressekonferenz benutzte. "Niemand kennt die Ausmaße dessen, mit dem wir uns gerade beschäftigen."