Ayrton Senna setzte sich vor seinem Unfalltod noch in einem Zeitungskommentar mit dem Thema Sicherheit auseinander. In dem Beitrag für die deutsche Zeitung "Welt am Sonntag" gestand er Probleme mit der Abstimmung seines Williams in Imola. Der Brasilianer gab auch zu, dass der Tod von Roland Ratzenberger seine Bedenken wegen des wachsenden Risikos in der Formel 1 verstärkt habe.
Unter der Überschrift "Tragische Bestätigung für meine Warnungen" schrieb Senna in der Ausgabe vom 1. Mai 1994 mit im Nachhinein erschreckender Offenheit, dass Strecken wie Imola "technisch den wunden Punkt" seines Williams-Renault bloßlegen würden. "Mein Auto reagiert auf solchen Rennstrecken ein bisschen nervös. Das liegt an seiner speziellen Aerodynamik, aber auch an einer Schwierigkeit in der Aufhängung." Der 34-Jährige meinte allerdings auch, er sei für das Rennen optimistisch. Am Nachmittag starb die Lichtgestalt der Formel 1 in der Tamburello-Kurve.
Watkins wollte Senna zum Rücktritt überreden
Der Tod Ratzenbergers am Samstag dürfte den Superstar in eine Art Schockstarre versetzt haben. Die Stunden danach sei Senna sehr nachdenklich gewesen, berichteten ehemalige Vertraute. Seine damalige Freundin Adriane Galisteu erzählte, er habe ein "ganz schlechtes Gefühl" für das Rennen gehabt. Senna besichtigte die Stelle, an der der Salzburger von der Strecke geflogen war. Formel-1-Chefarzt Sid Watkins wollte ihn dort zum Rücktritt überreden. Er sprach sogar mit seinem Freund Gerhard Berger darüber, wie man die Formel 1 sicherer machen könnte.
Was Sennas Unfall ausgelöst hat, ist bis heute nicht klar. Der Deutsche Michael Schumacher will beobachtet haben, dass der Williams im Rennen tatsächlich etwas seltsam auf der Straße lag. Adrian Newey, der hochgepriesene Designer des Teams, führte den Abflug Jahre später auf eine aerodynamische Fehlkonstruktion zurück. Die Seitenkästen seien zu lang gewesen, auf einem Kurs mit vielen Bodenwellen wie Imola habe stellenweise ein hohes Risiko für einen Strömungsabriss bestanden. Fakt ist, dass irgendwann die Lenkstange des Autos brach.
Schwere Kopfverletzungen als Todesursache
Als offizielle Todesursache wurden jedenfalls schwere Kopfverletzungen angegeben. Trümmer der Vorderradaufhängung hatten den Helm des Brasilianers durchbohrt. Die Staatsanwaltschaft klagte damals sechs Personen wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung an - darunter Teamchef Frank Williams, Technikchef Patrick Head und Newey. Alle wurden letztlich freigesprochen, der Fall sich zog bis zum Abschluss über elf Jahre. "Viele gaben uns die Schuld dafür. Als hätten wir der Welt ein Gemälde von Michelangelo gestohlen", erklärte Williams einmal rückblickend.
Auch heute noch fasziniert Senna Millionen Menschen - in und außerhalb des Motorsports. Der aktuelle Weltmeister Lewis Hamilton bezeichnet den Dreifach-Champion als sein Idol und fuhr schon mit einem Helm im Senna-Design. Es gibt eine eigene Merchandising-Linie, ein Senna-Musical, mehrere Filme und eine Comicbuch-Reihe, die Senna noch zu Lebzeiten initiierte, um mit den Einnahmen Straßenkindern in seiner Heimat eine Ausbildung zu finanzieren. "Wenn er nicht umgekommen wäre, wäre er heute vielleicht Präsident Brasiliens", sagte Newey.
WM-Titel für Schumacher
"Ich werde alles geben, einen spannenden Kampf zu inszenieren", beendete Senna seine Kolumne damals. Und er werde versuchen, versprach er, dass es "für Benetton und Schumacher nicht das gibt, was man mir vor der Saison vorausgesagt hatte: einen Alleingang zum Titel". Bekanntlich sollte alles anders kommen. Schumacher gewann am 1. Mai 1994 den belanglos gewordenen Grand Prix von San Marino und errang in selben Jahr mit einem Punkt Vorsprung auf Sennas Ex-Teamkollegen Damon Hill seinen ersten WM-Titel.