Ganz so einfach ist die Sache in Anbetracht der Mercedes-Überlegenheit im Qualifying für den ersten GP des Jahres (hier live) freilich nicht. Es haben sich nicht alle Experten und die Konkurrenzteams bei den Wintertests allein auf die Aussagen der Mercedes-Führungsspitze verlassen, als man bei Silber Probleme und Ferrari an der Spitze sah. Davon abgesehen, dass die 0,5 Sekunden Rückstand, die Lewis Hamilton immer wieder ins Feld führte, wahrscheinlich schon am letzten Testtag in Barcelona nicht mehr realistisch waren. Denn das neue Aeropaket der zweiten Testwoche war schon viel besser. Die 0,2 bis 0,3 Sekunden, von denen die Mercedes-Ingenieure da hinter vorgehaltener Hand redeten, entsprachen eher der Realität.
Trotzdem: Von da bis zum Stand nach dem Melbourne-Qualifying liegt immer noch etwa eine Sekunde. Aber wäre Mercedes etwa ständig mit 30 Litern mehr Sprit unterwegs gewesen als alle anderen – was in Barcelona etwa diesem Zeitunterschied entspricht – dann wäre das den Experten, die dort immer an der Strecke stehen, anhand des Fahrverhaltens des Autos aufgefallen. Und ganz nebenbei war im Vergleich zu den vergangenen Jahren schon bei vielen Mercedes-Technikern zu bemerken, dass man sich ernsthaft Sorgen gemacht hat.
Mercedes arbeitet effizient
Was sich wieder bewahrheitete: Die große Stärke von Mercedes ist, auf Probleme unglaublich schnell und präzise zu reagieren. Und Updates „passen eben auf Anhieb und bringen sofort einen Schritt nach vorn“, sagt der Schweizer TV-Experte Marc Surer. Auch wenn Lewis Hamilton meinte, das Auto sei gegenüber Barcelona nur wenig verändert, „wir verstehen es nur viel besser“: Da und dort ist es doch anders, der Frontflügel deutlich modifiziert, eher an das Ferrari-Konzept angelehnt, das die Luft nach außen leitet. Dass das alles zusammen wirklich so viel bringen würde, schien man bei Mercedes selbst lange nicht glauben zu wollen: Die Beteuerungen von Wolff und den Fahrern, „wir haben wirklich nicht gewusst, wo wir stehen“, und die anschließende überraschte Erleichterung wirkten jedenfalls ein bisschen glaubhafter als in der Vergangenheit.
Was jetzt in Melbourne sicher noch dazu kommt: Weder Ferrari noch Red Bull brachten hier ihre Top-Performance auf die Strecke. Die Bullen kämpften lange mit Set-Up-Problemen, das Ausscheiden von Pierre Gasly im Quali-Teil könnte man teilweise unter Strategiefehler abhaken. Bei Ferrari fehlte Sebastian Vettel das „absolute Vertrauen ins Auto“, das er noch in Barcelona gehabt hatte. Die Gründe? „Andere Streckencharakteristik, mehr Bodenwellen, deutlich höhere Temperaturen“, so Vettel. Einzige Hoffnung. Auch im Vorjahr war Mercedes in Melbourne vorne, in Bahrain, China und Baku hatte Ferrari aber dann doch wieder das schnellere Auto.
Karin Sturm