Die Mercedes-Erfolge in der Formel 1 der vergangenen Jahre sprechen für sich und haben viel mit Toto Wolff und Niki Lauda zu tun. Wie stolz sind sie darauf?
Wolff: "Diese acht Titel sind ein wirklich gutes Ergebnis, aber nicht das Werk eines Einzelnen oder von uns beiden, sondern die Leistung einer ganzen Mannschaft, und das sage ich nicht nur so dahin. Wir tendieren ja dazu, irgendwelche Menschen mit Erfolg zu identifizieren, die das Team nach außen vertreten. Tatsächlich ist es mir ganz besonders wichtig, die Leistung jedes Einzelnen dieser Mannschaft zu würdigen."
Sie und Lauda haben bis 2020 verlängert. Ist das eine Garantie, dass es so erfolgreich weitergeht?
Wolff: "Es ist wichtig, die eigene und externe Erwartungshaltung zu managen. Man kann in der Formel 1 als der stärksten Motorsport-Rennserie der Welt nicht davon ausgehen, dass man jedes Jahr Meisterschaften gewinnt. Dazu ist die Konkurrenz zu stark und dazu gibt es viel zu viele gute Leute in anderen Teams, die mit dem notwendigen Ehrgeiz versuchen werden, unsere Erfolge der letzten Jahre zu beenden."
Was spornt sie an?
Wolff: "Genau das soeben gesagte. Dass man unsere Dominanz angreift, ist für uns die richtige Motivation zu zeigen, dass wir das können. Gerade 2017 war diesbezüglich ein wichtiges Jahr, weil wir das erste Team waren, das es geschafft hat, über eine große Regeländerung hinweg erfolgreich zu bleiben. Das hat es davor nicht gegeben und zeigt, dass das Rad gut geschmiert ist und gut läuft. Nichtsdestotrotz ist das keine Garantie dafür, dass wir morgen wieder gewinnen."
Man liest, Mercedes steht bei der Motorenentwicklung kurz vor den tausend PS. Stimmt das so?
Wolff: "Die tausend PS sind natürlich eine Super-Zahl. Wir sind auf der Motorenseite in den letzten Jahren sicher gut aufgestellt gewesen, aber die Konkurrenz hat gerade 2017 enorm aufgeholt. Renault hat laut eigenen Aussagen eine Sekunde an Rundenzeit gefunden, das hat man auch an den Erfolgen des Werksteams und bei Red Bull gesehen. Die Vorteile, die wir beim Motor hatten, werden weiter schrumpfen, weil das Reglement gleich geblieben ist."
Mercedes hat mit der Ankündigung vom DTM-Ausstieg und der Hinwendung zur Formel E überrascht. Ist die Formel 1 nach wie vor unumstritten?
Wolff: "Die Formel 1 wird bei Mercedes im Moment nicht infrage gestellt. Sie ist eine der ganz wenigen globalen Sportarten, die funktionieren. Wir haben über 80 Millionen Live-Zuschauer pro Rennen und ein Riesen-Exposure für den Konzern und unsere Partner. Insofern ist sie, gerade was die Technologie betrifft, für uns ein Schaufenster - für unser eigene Motorentechnologie inklusive unserer Hybrid-Kompetenz. Gleichzeitig laden wir die Marke dynamisch und sportlich auf."
Was gefällt ihnen an den Aktivitäten des neuen F1-Eigentümers Liberty Media, was weniger?
Wolff: "Positiv ist die neue Transparenz innerhalb des Fahrerlagers. Es gibt nicht mehr nur Teilen und Herrschen, sondern offenen Diskurs und Austausch, einen echten Dialog. Die Regeln zu sozialen Medien wurden geöffnet, wir können mehr aus dem Fahrerlager posten. Was mir nicht gefällt, ist, dass es ein bisschen an Vision und Strategie mangelt. Man muss den neuen Eigentümern aber vielleicht ein Jahr Honeymoon zugestehen, um diesen Sport zu lernen. 2018 ist es für uns als Team und als Hersteller in der Formel 1 aber dann schon wichtig, Ergebnisse zu sehen."
Ist die Formel 1 zurück auf dem Weg zur unumstrittenen Königsklasse des Motorsports?
Wolff: "Wir haben 2017 eine guten Schritt dorthin zurück gemacht. Die Autos sind spektakulärer geworden, die Downforce und die G-Kräfte sind enorm. Wir erzielen Kurvengeschwindigkeiten, die es davor nie gegeben hat. Wir brechen alle Rundenrekorde aus der Zehnzylinder-Ära. Insofern ist es das schnellste Auto auf dem Planeten. Das ist auch wichtig, das zu kommunizieren. Da hat sich das vorherige Regime der Formel 1 nicht als Cheerleader engagiert, sondern das Thema herunter geredet. Das war sicher nicht richtig."
Was sagen sie zum Halo-Kopfschutz?
Wolff: "Ich habe mit dem Teil überhaupt keine Freude. Es ist ästhetisch nicht ansprechend, am liebsten würde ich es absägen. Aber gleichzeitig muss man die Fahrer schützen, und wenn es so ein Sicherheitselement gibt, kann man das nicht außer Acht lassen. Aber vielleicht hätten wir an einer optisch ansprechenderen Lösung arbeiten sollen. Ich hoffe, es fällt uns für die Zukunft was anderes ein."
Spielt Halo auch bezüglich Performance eine Rolle, oder sind es auch 2018 vor allem die Reifen, die den Unterschied ausmachen werden?
Wolff: "Das Halo ist ein fünf Kilo schweres Metallteil oben am Auto. Das verändert viel und ist auch nicht performancefördernd. Wichtigster Faktor sind und bleiben aber sicher die Reifen. Schon 2017 gab es da höchst unterschiedliche Leistungen. Sie sind weiter der Schlüssel zum Erfolg."
Haben sie Sorge, dass ihr Weltmeister-Pilot Lewis Hamilton ähnlich unerwartet das Handtuch werfen könnte wie vor einem Jahr Nico Rosberg?
Wolff (schmunzelt): "Nachdem wir diesen 'Curve Ball' von Nico zugeschossen bekamen, rechne ich mit allem. Im Moment sieht es aber nicht so aus, als ob Lewis aufhören wollte. Umgekehrt ist er gerade in LA. Wer weiß, was ihm da einfällt? Das war jetzt eher ein Scherz. Wir reden eher über eine Verlängerung."
Was wären die Kriterien, damit es auch wieder Österreicher in die Formel 1 schaffen?
Wolff: "Das Wichtigste ist, dass sich die Kids in den Gokart-Serien durchsetzen und dann im Formel-Sport vorne mitfahren und Meisterschaften gewinnen. Ein Großteil der Formel-1-Fahrer hat Meisterschaften gewonnen. Das ist der Schlüssel, um auch Österreicher wieder nach vorne zu bringen. Ich wäre der erste, der sich darüber freuen würde."
Lucas Auer ist 23, Ferdinand Habsburg 20 Jahre alt. Haben sie Chancen, oder muss man gar schon auf die nächste Generation, etwa mit einem 15-jährigen Lukas Dunner, schauen?
Wolff: "Mir taugen Auer und Habsburg. Ferdinand hat ein sensationelles Macao-Rennen abgeliefert mit einem Wahnsinns-Manöver, das ihn in der letzten Runde den Sieg gekostet hat. Aber er hat's probiert, und das zeigt, dass er aus richtigem Holz geschnitzt ist."
Auer bekommt nur noch ein Jahr bei Mercedes in der DTM, um sich zu beweisen. Ihre Einschätzung?
Wolff: "Luggi ist ein Supertyp. Er muss aber Stabilität in seine Ergebnisse bringen, dann hat er alle Möglichkeiten. Es ist klar, er muss in diesem Jahr alles niederreißen. Aber das weiß er."
Sie sind selbst Investor und halten Beteiligungen. Haben sie Interesse, das auch beim Kauf der Airline Niki zu tun?
Wolff: "Ich verfolge das natürlich hautnah mit, halte es aber getreu dem Motto: Schuster bleib bei deinen Leisten. Ich verstehe vom Airline-Business wenig, außer dass ich als Passagier im Flugzeug sitze. Das ist Nikis Thema, es ist sein Kern-Business, sein Investment."
Worüber werden sie am Jahresende 2020 nachdenken?
Wolff: "Das weiß es noch nicht. Im Moment macht mir Spaß, was ich tue. Wenn du beginnst, über das nächst-hübsche Thema nachzudenken, bist du nicht mehr mit der ganzen Ernsthaftigkeit im jetzigen. Ich denke also nicht darüber nach."
Das Gespräch führt Hans Gödel/APA