Nur das nächste Malaysia-Wunder kann die längste Sieglos-Serie in Sebastian Vettels Formel-1-Karriere verhindern. 18 Monate nach seinem erstaunlichen Premieren-Erfolg im zweiten Rennen für Ferrari in Sepang ist das damalige Hochgefühl dem Frust gewichen. Seit 21 Grand Prix hat Vettel nicht mehr gewonnen, nie musste er länger auf einen Sieg warten.

"Es ist nicht alles rund gelaufen", erklärte Vettel diplomatisch, wenn er auf dem von Palmen umsäumten Sepang International Circuit nach seiner Bilanz der vergangenen Monate gefragt wird. Die Tropen-Idylle von Malaysia bringt für den Hessen zumindest einige süße Erinnerungen zurück. Viermal hat er das anstrengendste Rennen der Saison schon für sich entschieden, öfter als jeder andere.

Im Vorjahr düpierte er kurz nach seinem Wechsel zu Ferrari sogar die übermächtigen Mercedes und versetzte die Scuderia in einen Freudentaumel. "Es war ein unvergesslicher Tag, der uns geholfen hat, den Stein ins Rollen zu bringen", sagt Vettel heute.

Sieglose Saison droht

Doch wirklich ins Rollen ist das gemeinsame Titelprojekt von Vettel und Ferrari bis heute nicht gekommen. Drei Siege in der Vorsaison verdeckten noch so manche Schwäche des italienischen Traditionsteams und stärkten den Glauben an eine echte WM-Chance für 2016. Diese Hoffnung ist längst zerplatzt. Stattdessen droht wie schon 2014 eine Saison ohne Grand-Prix-Sieg.

Vettel nervt das, auch wenn er sich bei offiziellen Auftritten weiter als nachsichtiger Teamplayer gibt. Doch Geduld ist keine Stärke von Rennfahrern. Beim Freitagstraining von Malaysia raunzte Vettel schon nach den ersten Minuten via Funk: "Ich verstehe nicht, wie ihr das Auto so schlecht ausbalancieren könnt."

Am Ende des Tages belegte der Ex-Champion den dritten Rang, allerdings mit klarem Rückstand auf den Trainingsbesten Lewis Hamilton und dessen Mercedes-Teamkollegen Nico Rosberg. "Wir sind realistisch, was drin ist", sagte Vettel.

Viele Baustellen

Immer wieder Rückschritte und neue Baustellen, so fühlt sich das Ferrari-Leben derzeit für den vierfachen Weltmeister an. Bei Red Bull holte Vettel seine Titel mit einem Team, das auf Perfektion getrimmt war und ihm zumeist das beste Auto im Feld bereitstellte. Bei Ferrari dagegen muss er sich als Aufbauhelfer bewähren - und kommt dabei längst nicht so schnell voran wie erhofft.

"Ferrari wirkt orientierungslos", sagte der dreifache Champion Jackie Stewart der "Gazzetta dello Sport" und nannte die Trennung von Technikchef James Allison mitten in der Saison als Grund für die Instabilität. Derzeit scheint es schwer vorstellbar, wie die Scuderia die große Lücke zu Mercedes bis zur neuen Saison schließen will. Zu vielfältig sind noch immer die Schwachpunkte: Von der Technik über die Zuverlässigkeit bis hin zur Rennstrategie muss Ferrari nachbessern.

Vettel bleiben da derzeit nur die typischen Sportlerphrasen, um seine Enttäuschung zu kaschieren. "Wenn ich am Start stehe, sehe ich immer eine Chance auf den Sieg. An einem Sonntagnachmittag kann so viel passieren", betonte der 29-Jährige. Als Beweis kann Vettel Sepang 2015 anführen - den Tag, als für ihn und Ferrari die Welt noch in Ordnung war.