Toto Wolff mag einen Doppelsieg verloren haben, seinen Humor hat er noch: „Was ich als Erstes tue? Ich werde meinen Kopf in einen Kübel voller Eiswürfel stecken, um mich wieder abzukühlen.“ Zum zweiten Mal in diesem Jahr sind seine Fahrer Lewis Hamilton und Nico Rosberg kollidiert. War es in Barcelona die erste Runde (Folge: beide Piloten weg), so knallte es diesmal in der letzten Runde, als die beiden zum 71. Mal in den Remus-Knick einlenkten. „Für uns ist das alles ein großer Albtraum“, seufzt Wolff, ohne zu richten: „Für so einen Unfall braucht es immer zwei. Schwarz-Weiß-Denken ist fehl am Platz.“ Dann begann er zu grübeln: „Immer wenn man sich alles aus einer neuen Perspektive anschaut, bekommt man neue Informationen.“ Trotzdem: „Ich will keinen Kontakt mehr. Nicht zwischen meinen Piloten. Nicht auf der Strecke.“
Dieser Crash schmerzt mehr als der in Spanien: „Damals war seit 30 Rennen nichts mehr passiert und ich dachte: Sie werden daraus lernen.“ Eine der seltenen Fehlprognosen des Wieners. In einem Konzern, in dem Hunderte Menschen daran arbeiten, jedes Rennauto um Hundertstel schneller zu machen, sind solche Gemetzel unter Kollegen ein Drama. Schon kursiert das böse S-Wort. Der Gedanke an eine künftige Stallorder in so einer Situation ist auch Wolff nicht mehr fremd, er will in den nächsten Tagen mit allen Strategen nachdenken. Gerhard Berger, Berater von Nico Rosberg, macht Druck: „Das Team sollte so eine Situation in der letzten Runde eines Rennens nicht zulassen.“
Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda widerspricht: „Bei Mercedes wird nie vor dem Rennen festgelegt werden, wer am Ende der Sieger sein wird.“ Ein Satz, mit dem Lauda Beifall erntet – in sozialen Netzwerken finden es 95 Prozent richtig, dass Mercedes seine Fahrer – trotz Crash-Gefahr – frei fahren lässt. Auch Wolff meint: „Wir werden auf mehr Titelseiten sein als sonst. Die Formel 1 lebt auch von solchen Geschichten.“ Trotzdem könnte es schon in Silverstone neue Regeln geben. Hier sagten die Regelhüter der FIA am Ende klar: Rosberg ist schuld, er bekam eine Zehn-Sekunden-Strafe.
Trotzdem war es Lewis Hamilton, der auf dem Podest ausgepfiffen wurde. Der Sieger wunderte sich: „Das hat mich überrascht.“ Und dann, wie üblich etwas abgehoben: „Ich vergebe euch.“ Um zu ergänzen: „Ich liebe diese Gegend – ich bin zuletzt hier zwei Tage mit dem Motorrad gefahren. Es ist einfach wunderschön.“
GERALD ENZINGER